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Verführerische Vielfalt

Sehr eigenartig mag dieser Text, der jetzt folgt, für manche erscheinen, die den Weg noch nicht als Weg begreifen. Alle die bitte ich, sich zumindest der Möglichkeit zu öffnen, dass hier etwas zu lesen ist, was früher oder später in der eigenen geistigen Entwicklung von Bedeutung sein könnte.

Schon seit vielen Jahren begleite ich Menschen auf dem traditionellen Yogaweg, wie ich ihn über meine Meister kennengelernt habe. Normalerweise würde ich das, worüber ich jetzt schreibe, nur in meinen Kursen erläutern. Da kann man nachfragen, von Angesicht zu Angesicht, und so zu Klarheit gelangen, zumindest für eine gewisse Zeit. Aber manche Eindrücke bestärken mich darin, darüber jetzt hier zu schreiben.

Wie so oft denke ich an die Worte meines Meisters, der sagte, dass dieser (Yoga-)Weg nichts für Menschen ist, die eine schwache Psyche und ein schwaches Herz haben. Damit meinte er nicht das physische Herz, sondern dein emotionales Gewand. Und was eine schwache Psyche ist, das lernte ich erst mit den Jahren verstehen.

Lass dich nicht verführen von den vielen Wegen und Pseudowegen, von den vielen Begriffen und Traditionen! Bleibe einfach in deiner Sicht, in deiner Praxis, in deinem Verständnis. Lerne, ganz klar zu unterscheiden, was von dem bei uns sehr reichhaltigen Angebot von „Spiritualität“ (in Anführungszeichen deshalb, weil das meiste sicher nicht das Papier wert ist, auf dem es gedruckt ist) wertvoll für deinen Weg ist und was nicht. Im Yoga heißt diese Fähigkeit Urteilsvermögen, viveka.

Viveka ist nicht gerade angesagt in einer Kultur, in der nur wenig filternde Meister diesen Sumpf der Meinungen, Lehren und Marketingstrategien für ihre Schüler sichten und ausmisten. Aber ohne viveka wirst du nur schwer erkennen, wie du auf dem Weg am besten dein Verständnis, deine Praxis vertiefen kannst. So viel scheint möglich, so reichhaltig ist das Angebot. Es erscheint fast als übermäßig schlicht daherzukommen, wenn gesagt wird, dass man am besten nur einen Weg, ein Mantra, einen Guru verehren sollte. Die Vielfalt ist, und das habe ich jetzt wirklich oft genug erlebt, verführerisch, unsinnig und überhaupt nicht hilfreich.

Das ist in keiner Weise eine Verurteilung anderer Wege. Denn natürlich gibt es unter den vielen Schwachsinnigkeiten auch Perlen, Wege, die genauso sauber sind, wie der, den ich gehe und vermitteln kann. Aber für dich, für den Menschen, der einen Weg geht, sind auch diese echten Wege nicht vorteilhaft. Jeder Meister, jede Tradition hat auch ein wenig ihre eigene Sprache, ihre eigenen Vorgehensweisen. Das Eine kann man meistens nicht auf das Andere übertragen.

Mein Meister hatte viele Schüler, und es war klar, dass Einige von ihnen den Weg auch zu Ende gegangen sind. Viele taten so als ob, aber Einige waren schon zu seinen Lebzeiten (ein eigenartiges Wort für einen Meister :)) selbst Meister, mit seinem ausdrücklichen Segen. Auch ihre Lehren hatten zu tun mit ihrer Persönlichkeit und nicht alles, was ich von meinem Meister kannte, entsprach dem, was sie lehrten.

In der Guru Gita heißt es (Vers 168): eko deva eka dharma, eka nistha param tapah. Ein Gott, ein geistiges Gesetz, eine innere Einstellung, das ist die höchste Bemühung. Lange habe ich das nicht so richtig verstanden, denn ich hatte das Glück, sehr unbedarft auf den Weg zu kommen. Es bestand keinerlei Grund für mich, mehrere Wege gleichzeitig auszuprobieren. Ich war beschäftigt genug, den einen irgendwie zu begreifen und zu verdauen. Und ich erkannte früh, dass mein Meister durch viele Zitate aus anderen Schriften in genialer Weise uns beim Weiterstudium über seine Bücher und Vorträge hinaus anleitete.

Es gibt einen unglücklichen Zustand, den Menschen erleben, die zu viel von zu vielen Traditionen ausprobieren, vermutlich in der Hoffnung, den Weg noch intensiver, noch schneller gehen zu können. Diesen Zustand bezeichnete mein Meister als spirituellen Dauerdurchfall, eine Art geistiger Verwirrung, die manchmal wirklich so verrückt macht, dass man nicht mehr ein noch aus weiß. Glaubt mir, dass ist nicht irgendein exaltierter Zustand, nicht eine vollständige Öffnung in kosmische Dimensionen, sondern nur schlicht und einfach eine gefährliche Verwirrtheit.

Lass all das. Wenn mein Meister bestimmte Teile, zum Beispiel der Kularnava Tantra zitierte, weil sie seiner Meinung nach die Meister-Schüler-Beziehung recht gut beschreibt, dann bedeutete das nicht, dass alles, was in dieser zum Teil sehr, sehr skurrilen Schrift steht, studiert werden sollte. Sicher nicht. Aber das hat er nicht eigens betont. Da brauchtest du viveka.

Verständnis im Yoga ist nicht zu verwechseln mit der Pandit-Gelehrsamkeit, die indische Gelehrte gerne an den Tag legen. Ihnen geht es oft auch um die möglichst besondere Zurschaustellung ihres umfangreichen Wissens und ihrer textlichen Präzision. Aber für Yoga-SchülerInnen ist das nicht wichtig. Es geht nur, nur, nur um den Weg. Man möge mich jetzt für einen engstirnigen Yoga-Tyrann halten oder was auch immer (habe da noch viel Schlimmeres gehört), das ist mir egal.

Wenn du Wissen ansammeln willst, dann studiere Politik, Physik, was auch immer, irgend eine handwerkliche Fähigkeit, eine Sprache (nicht unbedingt Sanskrit). Wenn du meinst, dass der Weg deine Psyche nicht mehr auslastet, dann mach irgendetwas. Aber missverstehe das nicht als Offenheit für andere Wege, als Auftakt zu Ausflügen in andere geistige Gefilde. Diese „Langeweile“ mit dem dir möglicherweise ja so vertrauten Weg ist ein Teil der sadhana, der inneren Reinigung. Wenn du das spürst, dann lese die Bücher deines Meisters noch intensiver, immer wieder das Gleiche.

Du musst deine Psyche sauberhalten. Wenn Gedanken und Gefühle zu intensiv werden, dann merke das und wiederhole dein Mantra. Wechsle dein Mantra und deine Methoden der Meditation und des Studiums nur, wenn dir das dein Meister (bitte denke daran, dass ich das Wort „Meister“ nicht männlich oder weiblich meine, sondern nur als „Berufsbezeichnung“ und mir gerne das der/die –In sparen möchte.) sagt. Sonst bleibe immer bei der gleichen Praxis. Wenn du Sehnsucht nach Abwechslung hast, dann fahre immer wieder an einen anderen Ort in den Urlaub, wechsle deine Lieblingsrestaurants, deine Wohnung, dein Land, deine PartnerInnen (wenn damit nicht nur dein Stresspegel steigt), aber lass deine innere Unruhe, die nach Abwechslung sucht, nicht an deinem Yogaweg aus.

Die Tatsache, dass es auch andere, reine Wege gibt, heißt noch lange nicht, dass du sie alle beschreiten kannst, solltest oder musst. Glaub mir, dazu lebst du viel zu wenig lang. Du kannst froh sein, wenn du nach vielen Jahren, mit aller Unterstützung deiner LehrerInnen, deiner Meisterin, der Kundalini Shakti, einen Anflug von Verständnis hast, worum es geht auf dem Yogaweg. Und vielleicht auch, welchen Zustand jemand hat, von dem der Weg sagt, dass er Siddha ist, vollendet.

Es gäbe noch so viel mehr dazu zu schreiben, aber dafür fehlt mir die Zeit. Unser Sprachgebrauch im Deutschen kennt nicht umsonst das Sprichwort: Schuster bleib bei deinen Leisten. Genau, bleib bei EINEM Weg, und mach ihn zu deinem. Wenn dir das jetzt doch etwas zu eng und zu schlicht erscheint, dann wisse, dass diese Worte nicht für dich geschrieben worden sind.

 

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Auf dem Sockel der Befreiung?

Vor vielen Jahren, nach der Trennung von meiner Partnerin, erklärte mir eine Frau in der Schweiz, warum sie jetzt nicht mehr in meine Kurse kommen würde. Sie sagte, dass sie mich vorher immer auf einen Sockel gestellt hatte, aber im Laufe dieser Trennung habe sie mich wieder von diesem Sockel runtergeholt, „auf Augenhöhe“. Spontan sagte ich zu ihr: „Wie schade! Du hättest dich mit auf den Sockel stellen sollen, dich erheben, und nicht mich in dir erniedrigen sollen.“

Immer wieder haben mir Menschen das sogar mit einer gewissen Portion Stolz erzählt, dass sie mich jetzt nicht mehr auf diesen Sockel stellen, dass es für sie wichtig war, mich von diesem Sockel zu stoßen. Na toll! Hast du damit deinen wahren Wert erkannt oder nur mich, der ich ja sowieso nur in deiner Vorstellung als der erscheine, von dem du MEINST, dass ich es bin, auf dein begrenztes Niveau in dir herabgestuft? Was nutzt dir das? In der Welt des Egos ist so ein Vorgang des Sockelsturzes ein Akt der Emanzipation. („Der (oder Die) ist auch nicht besser als ich“). Aber auf dem Yogaweg, wo es um Befreiung geht, um die Erkenntnis deiner Herrlichkeit, was nutzen dir diese Gedanken der Erniedrigung?

Ein ander Mal sagte jemand zu mir: „Ich meine, es ist doch klar: Du bist doch nicht erleuchtet!“ Als ich fragte, woher sie das wissen und beurteilen könnte, gab es nur ausweichende Worte. Mit der Folge, dass diese Person später verbreitete, der vamdev behauptet jetzt, dass er erleuchtet ist. Das Gleiche passiert auch anders herum: „Naja, ich bin halt noch nicht so weit wie du.“ So so. Du hast also die Möglichkeit zu beurteilen, wie weit andere Menschen entwickelt sind? Warum tut man das?

Das ist eine alte Geschichte. Im Christentum wird ja geglaubt, dass Jesus Gott in Menschengestalt war/ist. Und seit der Zeit hat man ihm alle möglichen besonders menschlichen Züge angedichtet: Dass er vor lauter Todesangst Blut geschwitzt hat, schon Tage vor seiner Ermordung, dass er in der Stunde des Todes all seine Göttlichkeit in tiefem Zweifel verloren hat: „Vater, Vater, warum hast du mich verlassen!?“ Natürlich wussten die Mystiker, dass diese Worte nicht aus der Verzweiflung kamen, wussten, dass jemand wie Jesus keine Todesangst haben KONNTE. Andere hatten sogar Mitleid mit Jesus, fühlten sich schlecht, weil sie mit ihren Sünden sein Leid verursacht haben. Was für ein grandioses Missverständnis!

Aber im normalen Christentum entstand so eine Solidarität der Begrenztheit zwischen Jesus und den Menschen. Er war auch nur ein Mensch. Genauso wie du und ich, begrenzt, voller Ängste, wütend und unbeherrscht (sein Wutausbruch mit den Händlern im Tempel wird da oft als Beweis herangezogen).

Befreiung oder Emanzipation im Yoga ist nicht das Verständnis, dass alle auch nur mit Wasser kochen. Die Ereignisse im Leben eines Menschen, sein Schicksal, geben keinerlei Aufschluss auf seine inneren Errungenschaften. Denn eines muss klar sein: Wie du jemanden mit seinen Handlungen wahrnimmst, hat in erster Linie mit dir etwas zu tun, mit deinen Prägungen, nicht mit dem Menschen, den du beurteilst oder einschätzt. Wenn du anderen die gleiche Begrenztheit andichtest, in der du dich wähnst, wie soll es je für dich möglich sein, dich zu befreien, von deinen inneren Fesseln, deinen Missverständnissen?

Ja, aber vamdev, das empfinden die Menschen doch nur auf dich bezogen so, magst du jetzt argumentieren. Beim Guru ist das doch sicher nicht so. Meinst du? Das wäre ja großartig, gerne würde ich Platz nehmen, am Fuße all der Sockel, von denen ich herabgezerrt wurde. Aber diese Haltung ist ja in der- oder demjenigen, der das macht, hat mit meiner Person nichts zu tun. Einmal hat mir eine langjährige Schülerin meiner Meistern gesagt: „Also für mich ist sie jetzt eher so etwas, wie eine Schwester.“ Oder jemand anderer, auch über viele Jahre mit meiner Meisterin auf dem Weg, sagte: „Es ist wirklich ein großartiges Gefühl, dem Guru in seiner Mission helfen, sie unterstützen zu können.“ Als ich das hörte, erschrak ich zuerst einmal, damals. Der Guru ist per Definition Shiva, hat alle Begrenzungen überwunden. Und dann meint ein Schüler des Gurus, er könne dem Guru bei seiner Arbeit helfen? Mit freundlichen Grüßen vom Ego wahrscheinlich.

Wenn du jemanden erhebst, dann nutze doch diese kurze Unachtsamkeit deines Egos dafür, dich mit zu erheben. Wenn du meinst, jemand ist erleuchtet, dann assimiliere diesen Zustand, anstatt diese Person in dir mit deiner Farbe einzufärben. Färbe dich in ihrer Farbe. Das Ego ahnt seine Begrenztheit. Manchmal, in seltenen Momenten der Klarheit. Ergreife solche Momente und schwinge dich empor, statt den Spalt des Segens wieder zu schließen mit Gefühlen und Gedanken wie „der ist auch nicht besser als ich“. In der Guru-Schüler-Beziehung ist es entscheidend, wie der Schüler den Guru sieht. Mein Meister sprach da immer von Shishya-krpa, dem Segen des Schülers. Er erklärte immer wieder, dass dieser Segen wichtiger sei als der Segen des Gurus.

Es spielt wirklich keine Rolle, wie weit jemand anderes ist. Die Frage ist, wie weit du befreit bist von deinen Gefangenschaften, von den Fesseln deiner Missverständnisse und vermuteten Unzulänglichkeiten. Was nutzt dir die Erleuchtung eines anderen? Vielleicht, dass dein Verstand glauben kann, dass der Weg wirklich funktioniert und andere in die Freiheit führen kann. Aber wenn dein Verstand seinen Weg darauf aufbaut, dass er für andere schon funktioniert hat, dann wird er auch, im Laufe der Zeit, Begründungen dafür finden, warum es bei dir nicht „klappt“.

Es geht auf dem Yogaweg ja nicht darum, Shiva zu jiva zu machen, sondern umgekehrt, das begrenzte Individuum aus seiner Begrenztheit zu führen zu Shivas Unendlichkeit. Mach dir also keine Gedanken darüber, ob jemand anderes den Weg zu Ende gegangen ist, sondern gehe du ihn zu Ende. Wenn du von jemandem lernen willst, wie zum Beispiel von vamdev, dann überprüfe in dir, ob das, was er lehrt, mit den Schriften übereinstimmt, mit den Worten der Meister. Und dann wende an, was du lernst. Lass dich nicht ein auf Diskussionen über die Zustände anderer.

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Wüstenimpressionen

Meine Meisterin sagte einmal, als sie ein Neujahrsprogramm in der Wüste Kaliforniens abhielt, dass die Wüste die Wahrheit ans Licht bringt.

Das ist auch in der Wegetappe, die ich „Wüste“ in meinem Buch „Liebe, Glück und Freiheit“ (zur Zeit nicht erhältlich) genannt habe.

Was mich immer wieder in Begegnungen und Gesprächen mit YogInis, die schon lange auf dem Weg zu sein scheinen, erstaunt, ist, wie der Geist über die Zeit seinen Fokus verlieren kann. Bei vielen SchülerInnen meiner Meisterin beobachte ich das auch. Die meisten kommen sowieso nie über die Phase der psychischen Läuterung hinaus, weil sie der gefühlten Intensität des Prozesses nicht standhalten können. Sie sind nicht in der Lage, ihre Brennkraft aufrecht zu erhalten, halten sich andere Wege und Möglichkeiten offen und übersehen dabei völlig, dass sie so die Identifikation mit ihrem eigenen, kleinen, begrenzten Ego nicht loswerden können.

Aber andere, die mit echter Vehemenz und mit Fokus den Weg durch die Wirren dieses Teils der inneren Läuterung finden und in der Wüste ankommen, verspielen dann ihr ganzes „Kapital“ erstaunlich unbedacht und leichtfertig. Du hast die Begleitung eines echten Meisters, einer echten Meisterin genossen, von Anfang an vielleicht, und dann meinst du, du weißt Bescheid. Du hast die Bücher, die sie aus Liebe und Mitgefühl für ihre SchülerInnen geschrieben haben oder schreiben ließen, gelesen und meinst jetzt, das genügt. Du hast das Mantra wiederholt und Vorteile daraus gezogen, du hast den Guru vermeintlich in all deine Lebensbereiche eingelassen und seine Hilfe genossen. Und du hast es zu etwas gebracht. Wie ein Teenie, der meint, mit 14 langsam alles kapiert zu haben, zu wissen, wie die Welt tickt und auch, wie man das Ganze besser machen könnte.

Jetzt kommt deine alte Freundin und empfiehlt dir das neueste Engelbuch von soundso, und dann diskutiert ihr dieses Geschwafel als wäre es in irgendeiner Form den Worten deiner Meister ebenbürtig. Du „entdeckst“ dann neue Aspekte des geistigen Wegs, die du in deiner Tradition nicht gefunden hast. Du überlegst dir in keinem Moment, dass dein Meister das vielleicht aus sehr gutem Grund nicht lehrt oder gelehrt hat. Du entdeckst also eine Art Lücke in deinem Weg, die du ja recht einfach selber mit neuer Info ausfüllen kannst. Schließlich ist das ja DEIN Weg, der sicher auch DEINEN Input zur Vervollständigung brauchen kann.

Die Wüste bringt die Wahrheit an den Tag. Du hast deine Hausaufgaben nicht gemacht, von Anfang an nicht. Du hast die Beziehung zu deinem Guru nicht tief genug verstanden, nicht mit Hingabe gepflegt und vertieft. Sonst würde dich keine Information über Engel und dem ganzen anderen Esokram, der so mit viel Hokuspokus angeboten wird, interessieren. Und diese Bücher, etc. würden dir gar nicht angeboten, denn allen und allem wäre sowieso klar, dass dich das nicht interessiert.

Manchmal bin ich schon erstaunt, wie schnell wir vergessen können. Oder wie oberflächlich wir diesen Weg gehen können. Wie die Zeit aus Großartigkeit Banalität machen kann, wie das immer Neue alt wird, weil wir nicht genug verstehen, worum es geht.

Dass das am Anfang nicht so klar ist, kann man nachvollziehen, aber nach 10 Jahren? Nach 15 Jahren? Nach 20?!? So oft höre ich von diesen „Alteingesessenen“, wenn sie überhaupt noch mit mir reden wollen („der vamdev ist einfach zu fanatisch, usw.“), wie sie das Ganze satt haben, wie sich nichts mehr „tut“, wie der Guru in wichtigen Lebensherausforderungen eben nicht geholfen hat. Wie bitte? Ist der Guru ein Anwalt, der dich bei schwierigen Rechtslagen wieder rauspaukt, obwohl du dir das vielleicht sogar selbst eingebrockt hast? Ist der Guru verantwortlich für das Geradebügeln unseres Lebens? Ist der Guru der Wunderheiler, der dich, schwuppsdiwupps von selbst versuchtem Leid befreit? Ist der Guru ein Magier, ein Butler, dein Generaldirektor? Ist der Guru verantwortlich dafür, dass du deinen Weg gehst? Ich weiß, manchmal scheint er das alles zu sein, am Anfang, ein wenig.

Aber willst du immer noch mit 30 von deiner Mama an der Hand über jede Straße geführt werden?

Erinnerung, Erinnerung, Erinnerung – darauf kommt es an. Du vergisst und lässt das Vergessen wuchern mit all seinen giftigen Keimen, wie Zweifel (dessen Wurzel aber nicht angezweifelt wird), Nachlässigkeit, Verstrickung, die nach außen gerichtete Sicht des Lebens, Nachlässigkeit in deinem Denken und Fühlen.

Was soll man da machen? Zu nichts werden, die Verbindung zum Guru vertiefen (nein, das heißt nicht intensivierte internationale Reisetätigkeit, das ist ein Herzensprozess, das ist die Bitte um und das Üben von Hingabe), deinem Geist nicht erlauben, deinen Weg zu banalisieren, zu verflachen, zu normalisieren. Mantra, immer wieder Mantra. Ich bin Shiva, das muss mit der Zeit alles überstrahlen können. Wenn du in dir die Voraussetzung dafür nicht schaffst, immer wieder, wird das NIE gehen.

Wenn die Distanz zum Weg und zum Guru in dir wächst, wenn es gerade anfängt, dann wende dich an Schüler, die stark sind auf dem Weg und suche dir keine Zweifelskumpane.

Alles Liebe, wie immer.

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Der alltägliche Wahnsinn

Vor einiger Zeit sagte  jemand in einem Kurs zu mir, als es um das Leben im Alltag ging, und ich erwähnte, dass ich politisch schon mein ganzes Leben interessiert war und daher auch Nachrichten lese/schaue, dass sie nicht so recht verstehen könne, wie ich mich derart negativer Energie aussetzen könne.

Ich gestehe, dass, auch wenn das im Außen nicht sichtbar war, ich innerlich schmunzeln musste. Natürlich kann man versuchen, das auszublenden, was den Geist stört, ihn aus dem Gleichgewicht bringt, und kann versuchen, sich diese Welt der Gegensätze auf der Ebene dieser Gegensätzlichkeit schön zu meditieren. Gelingen wird es nicht, und man wird hängenbleiben genau in der Ebene von Bewusstsein, in der sich Negatives und Positives unvereinbar in den Haaren liegen. Problematischer für Menschen auf dem Yogaweg ist diese Haltung aber deshalb, weil sie stillschweigend davon ausgeht, dass etwas im Außen verantwortlich ist für die innere Unruhe, die in Menschen wütet. Es bedarf nicht einmal tiefen Nachsinnens, um das als Unsinn zu enttarnen.

Aber schmunzeln musste ich wegen etwas anderem. Wie kann eine negative Kraft jemanden gefährden, dessen innere Transformation über positiv und negativ hinausgegangen ist? Im Angesicht von Ich bin Shiva, wie kann da so etwas von Belang sein? Das ist es, was die innere Unruhe zuerst einmal beherrschbar macht und später auch zu Ende bringt. Erinnert ihr euch noch an die Aufgabe, die der Meister und Mathematikprofessor Swami Ram Tirth seinen Schülern stellte? Eine Linie kürzer machen? All diese Sorgen um negative Kräfte von außen, die man ausblenden, abschaffen, ausmerzen sollte, sind nur die Versuche, an der ersten Linie rumzumachen.

Für Yogis, die durch den Segen des Meisters, durch den Segen der Kundalini Shakti, entdeckt haben, dass diese Linie nur dann kürzer wird ohne sie zu berühren,wenn man eine längere unter die erste Linie zieht, sind negative Energien kein bedeutungsvolles Thema mehr. Im Gegenteil, sie entdecken den wahren Gang der Welt, in sich, und in den Projektionen des Egos.

Manchmal, wenn ich Nachrichten höre, mit all den terroristischen Gräueltaten, mit territorialen Kriegen um hier ein wenig vom Planeten Erde und dort ein wenig davon, kann ich nur lauthals lachen. Nicht, weil mir das große Leid der Menschen gleichgültig ist, sondern weil diejenigen, die dieses Leid verursachen, derart lächerliche Erscheinungen sind. Die Erde, verglichen mit uns ein riesiger Planet, ist überall auf ihr einfach die Erde. So dumm zu sein und zu meinen, dass im Schnitt 70 Jahre lebende Menschen ein Stück davon ihr eigen nennen können, ohne lächerlich zu wirken, kann nur mit der sehr einfach gestrickten Natur des Egos erklärt werden. Das mutet an wie ein Streit zwischen 10 meiner Darmbakterien mit 10 anderen, die in unmittelbarer Nähe in der gleichen Darmfibrille zugange sind, um die Herrschaft über dieses winzig kleine Stück meines Darms.

Mein Vater vermutete ja, dass die Erde, genauso wie wir, ein Lebewesen ist. Wie würde sich diese Erde schütteln vor Lachen von all diesen ulkigen Machenschaften! Alles ist sie: die Panzer, die ein Stück Land besetzen, das Land auf der einen Seite der Grenze, das auf der anderen, die Menschen, alles, was sie besitzen können, ihre Kinder und Nachkommen. Und die streiten sich über Dinge, die ihnen gar nicht gehören.

In seinem Buch „Spiel des Bewusstseins“ schreibt mein Meister ein Kapitel über Entsagung, ein, wie meine, sehr lustiges Kapitel. Wenn man es dann durchgelesen hat und der wunderbare Geschichte vom König Shikhidvaja und seiner Königin Chudala gefolgt ist, stellt man fest, dass des Königs Irrtum der Irrtum all dieser Leute ist, die heutzutage zu entschlossen Land „erobern“ oder „verteidigen“. Entsagung ist nichts weiter als die Einsicht, dass die Idee von „Gehören“ und „Nicht-Gehören“ zu den wirklich unintelligenten gehört und durch ein klein wenig Nachdenken schon ad absurdum geführt wird.

Für uns Yogis sollten diese Worte („das gehört mir“, „das gehört nicht dir“) nichts weiter als gewohnheitsmäßige Floskeln sein, deren lächerliche Bedeutung uns natürlich ganz klar ist, die wir benutzen, weil das in unserer Welt so üblich ist, die wir aber innerlich keine Sekunde mehr als wahr erleben.

Seht euch an, wie sich diese Leute aufspielen, in ihrer Wichtigkeit und Entschlossenheit! Wie kann man, wenn man ein gewisses Alter überschritten hat, Dinge anhäufen, die einem kein Mehr an Lebensgenuss mehr bringen können, weil es einfach zuviel ist? Auf dieser Welt ist genug da, dass wir alle unseren Spaß haben können. Niemand muss jemand anderem etwas wegnehmen, um mehr Erfüllung, mehr Spaß zu haben. Nur diese unsägliche Identifikation mit dem Ego lässt Menschen derartige Spinnereien ausbrüten, die zu Kriegen und Terrorakten führen. Es gibt eine herrliche Geschichte von Lew Tolstoi mit dem Titel „Wie viel Erde braucht der Mensch?“ Wirklich lesenswert!

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Stolperfallen

gibt es so einige auf dem Weg.

Was mich viele Jahre bedrückt hat, war die Tatsache, dass ich so viele ergreifende Wahrheiten gehört habe, wirklich überaus barmherzige Anleitung von meinen Meistern empfing, aber dann, in schwierigen Momenten, wenn das Leben selbst, so schien es mir, meinen ganzen Yoga mit allen möglichen Schwierigkeiten herausforderte, versagte ich. Ich konnte nicht anwenden, was man mir so liebevoll vermittelt hat.

Ich taumelte manchmal von Trauer über meine Borniertheit, über Zweifel an meiner Fähigkeit den Weg ernsthaft zu gehen bis hin zu tiefer Verzweiflung und der Angst, dass meine Meister mich einfach als hoffnungslosen Fall aufgeben würden. Ich wartete immer auf den Brief oder öffentliche Ansagen, „vergesst vamdev, der wird das nie lernen.“ Viele Briefe kamen. Aber keiner sagte so etwas. Heute, im nachhinein, kann ich sagen, dass sie voller Liebe waren, auch wenn sie manchmal Ermahnungen enthielten.

Oft höre ich, dass es vielen auf dem Weg so geht. Dass man etwas ganz verstanden hat, und es auch in vielen Situationen schon erinnern kann, aber dann, wenn es wirklich wichtig und schwierig wird, funktioniert alles Gelernte nicht. Wir haben das Gefühl, dass immer noch alles beim Alten geblieben ist. Wer wirklich auf dem Weg ist, wird daran dem Weg und dem Meister nicht die Schuld geben. Allerdings sind diese Stolperfallen wie eine Art Bewährungsprobe für Yogis, die den Weg noch nicht genug verstanden haben, um ihn nie mehr verlassen zu wollen. Diese Menschen machen mit der Zeit sogar den Weg verantwortlich dafür, dass ihr Leben schwierig zu sein scheint und nicht so läuft, wie sie es sich vorstellen.

Aber auch wenn du genug weißt, um den Weg nicht mehr für deine Lebensprobleme verantwortlich zu machen, dem Meister nicht mehr vorwirfst, dich in problematischen Angelegenheiten allein zu lassen, läufst du Gefahr, an dir selbst und deiner Fähigkeit, Yoga zu praktizieren, tief zu zweifeln und zu verzweifeln. So ein wenig Zweifel ist ja gar nicht so schlecht, aber das meine ich hier nicht. Ich meine, dem tiefen Selbstzweifel in die Falle zu gehen, weil man den natürlichen Entfaltungsprozess im Yoga nicht so richtig begreift.

Es ist gut zu wissen, dass yogische Entwicklung wie eine Art Aufschaukeln stattfindet. Du lernst etwas, begreifst es schließlich auch und wendest es selbstverständlich möglichst oft an. Das klappt anfangs nur bei einfachsten Situationen, nur da hat man noch keinerlei Erwartungshaltung und so fühlt sich das schon ganz gut an. Aber dann, mit der Zeit, erwartet man viel mehr von sich, erhofft man mehr vom Weg, vom Segen des Meisters, von der Weisheit der Schriften.

Da es kein Durchfallen, kein endgültiges Scheitern gibt auf dem Yogaweg, ist es doch nicht weiter schlimm, dass man länger braucht, bis man schwere Situationen leichter mit yogischer Weisheit meistert. Und dann kommen die zentralen Herausforderungen, Essen zum Beispiel, Beziehungen, elementar daher kommende Wünsche. Wir können dabei zusehen, wie wir uns verstricken, immer mehr. Wir scheinen den Ausstiegspunkt weder zu erfahren noch all die uns so vertrauten Methoden anwenden zu können, um von der Verstrickung, die wir erfahren, wieder lassen zu können.

Viele suchen dann das Scheitern in solchen Augenblicken zu beschönigen mit irgendwelchen „Begründungen“. „Ist es nicht menschlich, wenn man da noch Probleme hat“, oder „das ist doch meine Familie, soll ich auf einmal gleichgültig sein?“ und so weiter und so fort. Was ist eigentlich so problematisch zuzugeben, vor sich (und gegebenenfalls auch vor anderen), dass man etwas noch nicht kann? Es gibt nur einen Grund dafür: Pseudo-Errungenschaft, die (falsche) Vermutung, dass die Zahl der Jahre, die man jetzt schon Yoga praktiziert, die Intensität, mit der man dabei ist, doch jetzt langsam „anschlagen“ müsste.

Aber wenn du diese Missverständnisse nicht hättest, dann würdest du keine Probleme mit dieser Art der Entwicklung haben. Du würdest erkennen, dass du da halt noch Übungsbedarf hast. Und nicht einmal das ist notwendig. Du machst einfach weiter. So wie ein kleines Kind, das mit 13 Monaten das Laufen lernt, nicht plötzlich Zweifel an seiner Lauffähigkeit bekommt, nur weil des Nachbars Tochter schon mit neun Monaten das Laufen gelernt hat. Also, freu dich über deine Entfaltung, sei dankbar für sie, für die Geschenke des Wegs. Dafür gibt es mindestens so viele gute Gründe wie für das nagende Gefühl der Unzulänglichkeit.

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Alles ist in dir?

Immer wieder höre ich das. „Jetzt weiß ich, dass alles in mir ist.“

Ja, und was nützt dir diese Erkenntnis? Wie bringt dich das weiter? Gut, es ist eine wesentliche Einsicht, die dich davon abhalten könnte, zu hoffen, dass es nur eine Frage des richtigen Berufs, des richtigen Partners, des richtigen Ortes, des richtigen Weges, der richtigen Finanzlage ist, glücklich zu sein. Dann ist die Hoffnung also zerstört. Aber wie kommst du von diesem Wissen dahin, zu erkennen, wer du bist, das Glück in dir zu finden?

Es ist ein wenig wie die Feststellung: Ich habe Hunger. Gut, das wissen wir jetzt und dann? Auch wenn das eine bahnbrechende Einsicht sein man, ist sie doch nichts weiter als ein Satz, vielleicht auch eine zutreffende Beschreibung von dem, was ist.

Aber wenn du dann nichts weiter unternehmen kannst, weil du nicht weißt wie, dann nützt das reichlich wenig.

Wie gesagt, das habe ich von vielen Menschen gehört, und meist ist damit eine andere Aussage gemeint. „Da alles in mir ist, brauche ich mir auch von niemand etwas sagen zu lassen.“ Es ist der triumphale Schachzug des Egos, das nicht ablassen will von dem Status Quo. Es ist in seiner Herangehensweise wie ein Mensch, der in einem brennenden Haus am Fenster steht, unter ihm haben Feuerwehrleute in geübter Manier ein kuscheliges Sprungtuch aufgespannt und fordern den Mann im Fenster auf, zu springen. Die Flammen verbrennen schon sein Haar und die Hitze ist völlig unerträglich. Aber in seiner Angst vor dem Sprung schreit er und ist wie gelähmt. Jetzt hat der Arme einfach Glück, ein sehr mutiger Feuerwehrmann läuft nochmals in das Haus, durch die Flammen und schubst ihn aus dem Fenster. In Todesangst schreit er und fällt weich ins Tuch. Und was tut er da? Voller Wut und Angst zugleich droht er seinem Retter mit dem Rechtsanwalt.

Er ist wie unser berühmter Sheikh Nasrudin: Er war gerade mit seiner Frau Fatima ins Bett gegangen, als beide vor dem Fenster einen Schatten sehen, der vorbeihuscht. „Hast du das gesehen,“ flüstert Fatima voller Angst. „Und wie ich das gesehen habe,“ flüstert Nasrudin zurück. Er nimmt all seinen Mut zusammen, greift sich das Gewehr aus dem Schrank neben dem Bett und stürmt in den Garten. Es ist still. Dann ein lauter Schuss. Wieder still. Dann kommt Nasrudin, leichenblass und zitternd wieder ins Schlafzimmer zu Fatima. Entsetzt ruft sie: „Oh Nasrudin, was ist denn passiert?!“ Mit schwerer Stimme fragt Nasrudin zurück: „Weißt du, was das draußen war, das ich da erschossen habe?“ Fatima ist außer sich. „Um Gottes willen, du hast jemanden erschossen?“ Nasrudin spricht mit Grabesstimme: „Ja, mein Hemd.“ Voller Erleichterung lacht Fatima, „ach so! Gottseidank, dann ist ja nichts passiert.“ Zitternd, voller Grauen sagt Nasrudin: „Nichts passiert? Ich hätte doch in dem Hemd sein können!“

Obwohl unser Irrtum, zu glauben, dass wir eine Funktion unserer Psyche, das Ego, sind, nur Leid, ja, alles Leid in unserem Leben verursacht, wehrt sich unser Ego gegen jegliche Veränderung und Verringerung seiner Pseudokontrolle. Es wehrt sich gegen und verbittet sich Belehrungen jeglicher Art. „Alles ist doch in mir“ und „ich bin Shiva“ sind für das Ego perfekte Entschuldigungen, um sich nicht hinzugeben, um nicht zuzuhören, um sich nicht anleiten und nicht führen zu lassen. Oh wie erfinderisch unser Ego ist! Wie kreativ im Missverstehen tiefster Wahrheiten und Lehren der Meister! Manchmal ist es witzig anzusehen, wenn man sein Wirken in sich selbst beobachten kann (und noch „lustiger“ wird es, wenn dir dein Ego mit absoluter Präzision das Ego der anderen zeigt!)

Alles ist in dir, ja, und dann brauchst du jemanden, der dir den Weg zeigt, wie du das alles erfahren, integrieren kannst. Solange du dir die Methoden, die Lehren und die Lehrer raussuchen kannst, um dein Portfolio von Erkenntnissen auszubauen und abzurunden, gibt es keine Erkenntnis, und das nicht nur auf dem Yogaweg. Es gibt schon zunehmende Informationsanhäufungen, das ist klar. Es entsteht dadurch auch das Gefühl, immer mehr zu wissen, immer weiter zu kommen, dich dem Ziel von Vollkommenheit immer weiter anzunähern. Aber das ist eben nur das Gefühl, nicht Realität.

Alles ist in dir! Das ist keine Erkenntnis, die in dir aufsteigt, als Gegenrezept von gurur upayah: Der Guru ist das Mittel. Es mag die Lehre deines Meisters sein, der dich damit drängt, deine Hoffnungen auf Glück im Außen aufzugeben. Aber wenn mir jemand sagt, „ich brauche doch keinen Meister, wenn alles, was ich je finden kann, in mir ist“, dann ist klar, was geschieht.

Und noch etwas. Einmal hat mir jemand gesagt, nach immer wiederkehrenden Ausbrüchen von „von dir lass ich mir nichts sagen“, „ich glaube, ich bin jetzt bereit für Unterweisung“. Was soll ich dazu sagen? Du „glaubst“? Und überlegst es dir dann vielleicht doch wieder anders, wenn es einmal nicht nach deinen Wünschen geht, wenn alte Prägungen Gegenwind spüren? Es müsste heißen: „Ich bin bereit.“ Das genügt.

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Die Worte, die verwandeln

Meine Meisterin gibt seit Jahren so etwas wie eine Botschaft aus für das neue, kommende Jahr. Ich war vor langer Zeit in Indien dabei, wo diese Tradition ihren Ursprung nahm, als jemand aus dem Publikum fragte, a, kurz nach Mitternacht, am Ende unserer Neujahrsfeier, ob sie uns nicht eine Botschaft für das Neue Jahr mitgeben könnte.

Heute, mit moderner Technologie, geht das sogar über das Internet über Live Stream und zum Nachhören. Was mich erstaunt an den Worten, an den Lehren der Meister, ist, dass sie eine derartige Bandbreite von Schülern führen und inspirieren können, wie das bei meiner Meisterin der Fall ist. Etliche von uns hat sie sozusagen ererbt von ihrem Meister, dann kommen Menschen zu ihr, die zum ersten Mal etwas mit Yoga zu tun bekommen. Alle lernen, können sich weiter entfalten.

Ich finde es so schade, dass es in unserer Kultur nicht mehr die Institution der spirituellen Meisterschaft gibt. Wenn jetzt jemand meint, ich läge da falsch, dann liegt das wohl daran, dass nicht klar ist, was einen Meister wirklich auszeichnet. Und sogar viele Schüler von echten Meistern vergessen das auch wieder im Laufe der Zeit, dichten dem Meister ihre eigenen Unzulänglichkeiten an, unter dem Mantel des Menschlichen. Kann man ja verstehen, die sind ja auch nur Menschen. Na denn!

Für uns ist es schier unvorstellbar, dass es unter Menschen Vollkommenheit geben kann. Zu sehr ist unser Ego in der Lage, schnell und unleugbar zu beweisen, dass wir Menschen einfach unzureichend sind, milde ausgedrückt. Und so finden wir uns ab mit diesem allzu menschlichen Gewöhnlichen, mit Größe, die nur die eigenen Abgründe bedeckt, mit angelesener Weisheit, mit pseudoheiligen Worten, mit scheinbar liebenswürdiger Nachsicht und einer Vorsicht, die dem Wandeln auf rohen Eiern gleicht, nur damit uns niemand zu Nahe tritt, weil wir das auch nicht tun.

Dann ist da der Guru, der die Fahne des wahren Möglichkeiten des Menschseins hochhält, der sich nicht beeindrucken lässt von unserer Überzeugung von Mickrigkeit, der unnachgiebig den Weg zeigt und in uns unsere eigene Transformation vorantreibt.

Als Schüler ist es natürlich, von den Worten des eigenen Meisters berührt zu sein, sie tief in sich einzulassen. Wenn ein Mensch die Rolle des Schülers eines Gurus annimmt, dann erteilt er, bewusst oder unbewusst, diesem Meister weitreichende Vollmachten, die aber jederzeit widerrufbar sind, was ja auch viele immer wieder tun. Meist liegt das daran, dass ihnen nicht klar ist, was das für eine Verbindung zwischen Meister und Schüler ist, was ein Schüler ist, was ein Meister ist und wie sie zusammenwirken.

1986 hat mir meine Meisterin einmal gesagt, ich solle ein Buch schreiben über den Guru, aber ein gesellschaftspolitische Buch, kein spirituelles. Denn alle Probleme der modernen westlichen Gesellschaft und vor allem auch die Probleme, die wir so freizügig in den Rest der Welt exportieren, stammten vom Ego, über dem kein Meister mehr steht. Die große Sehnsucht der Hingabe, die nur ein Guru stillen kann, versuchen wir in Arbeit, in Beziehungen, in Besitz und Macht zu beruhigen. Wie aber soll das gelingen? Eine Kultur ohne Meister ist wie ein Huhn, dem der Kopf abgeschlagen wurde. Es macht noch ein paar wilde Bewegungen, aber sein Leben ist in Wahrheit schon zu Ende.

Die Worte eines Gurus haben die Kraft zu verwandeln, von innen heraus, wenn man das zulassen kann. Was haben wir denn schon zu verlieren? Unsere Unabhängigkeit? Und woraus besteht die bitte? Dass wir immer mehr und ungebremst unseren Prägungen anheim fallen?Dass wir ertrinken in Wünschen und Gelüsten, im Immer Mehr des Immer Mehr?

Viele Menschen auf den geistigen Wegen, wenn man das überhaupt so nennen kann, verschanzen sich hinter zusammengeschusterten Gruppen von Lehrern, denen sie dann als Gesamtheit Guruqualitäten zuschreiben. Ein Einlassen ist so erfolgreich verhindert. Das eigene Ego ist immer noch Dirigent und Orchester und Kritiker in einem. Nichts Wesentliches kann passieren, zumindest nicht, was durch die Guru-Schüler-Beziehung möglich war.

Du magst dich jetzt fragen: Wie kann der das alles nur so (frech) behaupten? Nun, das Ego ist entweder am Drücker oder es ist es nicht. Ohne Guru wird es seine Vormacht nicht aufgeben. Wie sollte es auch? Kann mir das jemand erklären, der meint, das ging auch ohne? Alles Liebe

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Gegensätze über Gegensätze!

DAS ist nicht so einfach zu verstehen: Diese Welt ist die Welt der Gegensätze. Ok, das geht ja noch, aber was das in seiner Tragweite bedeutet, ist manchmal erstaunlich und auch beängstigend. Menschen, die moralisch-ethisch bewundert werden, entpuppen sich als Kinderschänder, als Betrüger, als arrogante Menschenverächter. Mörder können sich vollständig wandeln und werden zu Erleuchteten. Unser Normalbewusstsein bäumt sich auf ob dieser Möglichkeiten, ist enttäuscht über die Täuschung der scheinbar Guten und ungläubig ob der Läuterung der Schlechten.

Das Gegenteil schwingt immer mit. DAS müsste man verstehen. Ein Moral predigender Pfarrer stirbt beim Sex mit einer Geliebten. Alle sind entrüstet, erschüttert, verunsichert, zweifeln an ihrer Religion und sogar an Gott. Ein Yogi, der sich selbst das Leben nimmt stürzt andere Yogis, die davon erfahren tiefste Sinnkrisen, schürt Gedanken ans Aufhören, lässt Zweifel am ganzen Yogaweg aufkommen. Menschen haben oft das Gefühl, dass es Güte ohne Schlechtigkeit geben muss, dass es Menschen geben MUSS, die nicht der Gegensätzlichkeit zum Opfer fallen. Wir hoffen das, erbeten das, erträumen das.

Aber diese Welt, sie ist und bleibt einfach diese Welt. Die Gesetze der Gegensätzlichkeit kümmern sich nicht um diese Hoffnungen und Erwartungen. Auch mir gibt das immer wieder sehr zu denken. Wenn ich so viel über Missverständnisse schreibe, wer sagt mir, dass ich damit nicht zur Quelle der Missverständnisse werde? Manchmal klagen YogalehrerInnen mir ihr Leid und sagen, dass sie so viele Zweifel an ihrer Lehrbefähigung haben. Das zu hören, erleichtert mich, und zwar für deren KursteilnehmerInnen. Denn ein Lehrer, der nicht erleuchtet ist, tut gut daran, immer wieder seine Befähigung in Frage zu stellen. Nicht, dass es ihn oder sie „menschlicher“ macht, sondern weil dieser Zweifel allzu große Arroganz nicht aufkommen lässt und eine Pseudo-Überlegenheit, die niemandem dient.

Gehen wir doch einfach einmal davon aus, dass alle Menschen in sich voller Widersprüche und Gegensätze sind. Aber Meister, magst du einwerfen, sollten doch JENSEITS dieser Widersprüche, oft in den Yogatexten dvandva genannt, leben. Damit meinen aber viele, dass sie sie NICHT in sich tragen. Aber jenseits von etwas zu sein, frei von etwas zu sein, kann nicht bedeuten, dass man, was auch immer das dann ist, nicht mehr hat, sondern dass man davon nicht mehr in seinem Erleben zu tiefst betroffen ist. Es bedeutet, dass man seine Persönlichkeit leben kann oder lebt, ohne sich auch nur im Geringsten damit zu identifizieren. Es bedeutet meiner Erfahrung nach, dass ein Meister, der zu recht als solcher bezeichnet werden kann, also der ernannt ist von seinem Meister, der nichts Neues erschafft, der seine Tradition vollständig kennt – etc. etc., nach wie vor seine zum Teil sehr skurrilen Persönlichkeitszüge hat, die auch erkennbar sind, die aber ganz anders wirken auf seinen SchülerInnen.

Seine Arroganz ist also nicht verletzend, seine Verachtung ist nicht verachtend, seine Wut ist nicht schmerzlich, seine Gefühlskälte ist nicht verwirrend. Ich könnte jetzt nur zu gut verstehen, wenn jemand von euch das liest, die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und ganz schnell diesen Blog wieder verlässt. All das sind Eigenschaften, die man selbst nicht haben möchte und die du vielleicht auch nicht in deinen Beziehungen mit anderen Menschen dulden würdest. Und trotzdem – ich schreibe das nicht als Anhänger, der seinem Meister alles „durchgehen“ lässt und alles entschuldigt.

Ich selbst habe all die Dinge, die ich beschrieben habe, selbst erlebt. Von außen betrachtet, war das zum Teil sehr problematisch, kann ich mir vorstellen. Aber was dabei in mir passierte, was etwas ganz anderes. Was soll ich schreiben? Es war immer eine große Unterstützung auf meinem Weg. Vielleicht denkst du jetzt, na, darauf kann ich gut verzichten. Mag sein.

Dann kann man auch sagen, die sind halt alle auch nur Menschen. Dieses „nur“ finde ich das Problem. Auf dem Yogaweg ist es von Bedeutung, ob es dir gelingt, dich jenseits deiner Persönlichkeit zu erfahren. Das ist nicht einfach zu begreifen, wenn man das als EINZIGE Selbsterfahrung hat: Persönlichkeit, Handeln, Denken, Fühlen. Von dieser Psyche Plus aus betrachtet, ist ein Verhalten wie oben geschildert, unmöglich. Aber alle haben das in sich. Ein erleuchtete Yogini kann damit umgehen, ist nicht gedrängt oder gezwungen, alle Seiten in sich selbst auszuleben. Sie kann, aber muss nicht. Diese Freiheit ist erstaunlich und für die meisten Menschen nicht vorstellbar, weil sie dabei einen Totalverlust ihrer Spontaneität befürchten. Die Yogaschriften behaupten, dass erst mit dieser Freiheit spontanes Leben möglich ist.

Das Ertragen der eigenen Widersprüchlichkeit, der eigenen Gegensätzlichkeit ist für viele Menschen auf dem geistigen Weg die größte Herausforderung. Oft können sie diese Seiten in sich nur verdrängen oder leben sie aus als wäre dieses Ausleben ein Ausdruck ihrer Freiheit. Das Ergebnis davon ist aber leider eine Art Versagen des emotionalen Schließmuskels, eine Art Gefühlsdurchfall, der immer unkontrollierbarer wird.

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Was gerade für dich richtig ist…

Da nicht alle, die diesem Blog folgen, automatisch über Kommentare oder Kommentardialoge informiert werden, erscheint es mir sinnvoll, manchmal in einem Beitrag auf einen Kommentar zu antworten. Ich hoffe, das ist für euch o.k.

Etwas zögernd schreibe ich jetzt, was ich sagen möchte: Dieser Blog will nicht allen gerecht werden. Der Autor dieses Blog ist nicht daran interessiert, Unwissenheit und Verblendung als gegeben hinzunehmen, weil halt jeder dort steht, wo er steht. Dabei erdreiste ich mich nicht (ich hoffe, das kommt auch bei euch an), auch nur zu behaupten, dass ich die Weisheit für mich gepachtet habe. Ich habe die Yogatradition studiert, studiere sie immer noch, bin am Üben, am Lernen, gebe mein Bestes, um Schüler zu sein. Ich teile über dieses Medium meine Erfahrung, das, was ich gelernt habe und meine Erkenntnis. Ich lade alle ein, mich an Hand der Tradition und der Schriften zu widerlegen oder zu korrigieren, oder zumindest auf Klarheit und Klärung zu dringen. 

Dieser Blog teilt prinzipiell nicht die Meinung oder die Haltung, dass für jeden schon das passiert, was gerade für sie oder ihn richtig ist. Und das nicht einmal, weil ich nicht davon überzeugt bin, dass nur das geschieht, was zu geschehen hat.

Zu Ostern gebe ich eigens einen mehrtägigen Kurs über diese Thematik. Wenn jeder sowieso nur seine eigenen, vorgezeichneten Kreise zieht, welche Sinn hat dann irgendeine Praxis auf geistigem Gebiet oder gar ein Lehrer. Kein Meister würde auch nur ein Wort gelehrt haben (und ich erwähne Meister nicht, um mich klamm heimlich mit ihnen in eine Reihe zu stellen, sondern nur deshalb, weil sogar sie das nicht gemacht haben), wenn er das Verständnis, dass alles, was zu geschehen hat, unausweichlich geschehen wird, und man daher nichts machen kann und auch nichts machen muss. Natürlich kannst du jetzt sagen, aber ihr Lehren war ja Teil ihres Schicksals. Also haben sie nicht gelehrt, weil sie uns etwas beibringen wollten, sondern weil es halt ihre Aufgabe auf dieser Welt war.

Das kann man wohl so sehen. Mein Wunsch, liebe Silke, dass du die Tatsache deines Todes zu Hilfe nehmen mögest, ist keine Besser“wünscherei“, die dir was aufs Auge drücken möchte, was bei dir noch gar nicht oder nicht SO ansteht. Ich wünsche das allen, nicht nur dir im Speziellen. Denn ganz gleich, was bei dir oder irgendjemanden sonst ansteht, der Tod ist dir sicher. Es ist sogar die einzige wirkliche Sicherheit im Leben. Wir verwenden sehr viel Zeit mit Berufsausbildung, mit Beziehungslernen,  mit Kindererziehung (passiv und aktiv :)) und mit allen möglichen Dingen, von denen nur sicher ist, dass ihr Ausgang ungewiss ist. ABER der Tod, der ist dir gewiss. Diese Gewissheit kann man für sich nützen, das zumindest behaupten die Yogis, sie kann den Blick auf das eigene Leben schärfen, dir helfen, das Wesentliche klar vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Und dieser Tatsache war mein Wunsch für dich gewidmet.

Meine Erfahrung mit der Lehrtätigkeit meines Meisters war intensiv und ich bin voller Dankbarkeit, dass er nicht die Hände in den Schoß gelegt hat (weil ja doch alles wie geplant kommt), dass er ein geduldiger, oft auch schlitzohriger Lehrer war, der mir NIE meine Unbelehrbarkeit abgenommen hat. Manchmal kam es mir so vor, als hätte er mich belauert, geduldig darauf gewartet, bis sich eine klitzekleine Öffnung für Unterweisung ergab, die er dann in großem Stil nutzte. Am Ende seines Lebens hat er einen Wunsch geäußert: „Möge diese Welt eine Welt voll Heiliger und Erleuchteter sein!“ Mir hat dieser Wunsch zu denken gegeben. War ihm nicht klar, dass das hier der Ort der Widersprüche und Gegensätze ist? Dass es genauso viel Verblendung wie Weisheit gibt?

Meine Meisterin sagte einmal: Segen kann man immer brauchen. Da gibt es nie zu viel. Vielleicht ist es das.

Die meisten Meister Indiens behaupteten, dass es das GEBURTSRECHT des Menschen sei, frei zu sein, glücklich zu sein. Dass sich so viele Menschen die meiste Zeit weder frei noch glücklich fühlen, schränkt dieses Recht nicht ein. Da ich der Überzeugung bin, dass es nicht nur unser Geburtsrecht ist, sondern unser Naturell, glücklich und frei zu sein, werde ich mich bemühen (es sei denn, meine Meisterin sagt mir, ich soll damit aufhören), alle Unklarheiten und Missverständnisse, die der Erfahrung von Freiheit und Glück im Wege stehen, so weit aufzuzeigen, dass man sie überwinden kann. Das mag ein recht unbeholfenes Unterfangen sein, aber dazu ist nun einmal dieser Blog da.

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Veränderungen

sind nicht einfach. Das haben wohl die meisten hier schon bemerkt.

„Die Zähne zusammenbeißend, gegen alle Versuchungen, wieder in alte Fahrwasser zu geraten, verändert sich der Yogi mit Willenskraft und Disziplin.“ Als ich das zum ersten Mal las, hatte ich große Zweifel an meiner Fähigkeit, diesen Weg zu gehen. Bei vielen Dingen fiel es mir leicht, mich zu ändern, ja sogar eine strenge Disziplin war mir in vielen Dingen möglich: Von heute auf morgen änderte ich meine Diät, lebte vegetarisch, nachdem ich Jahre lang möglichst viel und ausgiebig Fleisch und Fisch, etc. gegessen hatte. Kein Problem, damit aufzuhören.

Ich hörte auf, Alkohol zu trinken, nachdem ich „mit Mühe“ Trinkfestigkeit erworben hatte (wie schade, übrigens). Ich verlor, auch ganz ohne Zähneknirschen, an vielen Dingen die Lust, die mich, so wie ich die Yogatexte verstanden hatte, auf dem Weg behindern würden.

Aber dann gab es die Eigenheiten, die ich so gerne aufgegeben hätte, die ich als GROSSE Behinderungen auf meinem Yogaweg ausgemacht hatte, die ich nicht so leicht aufgeben konnte. Ich wollte zwar, aber offenbar nicht so richtig. Denn wenn es darauf ankam, übernahm meine Verhaltens“rille“, und irgendwie erschien es mir nicht sooo wichtig, das jetzt zu ändern. Mit der Zeit erkannte ich, dass es mit dem Zähneknirschen nicht wirklich funktionierte mit mir.

Es kam eine Zeit der Gebete, der Anflehungen, der Guru Gitas, mit der intensiven Bitte um Befreiung von diesen Makeln und Fehlern. Rückblickend kann ich für mich sagen, dass das alles nichts genützt hat, zumindest nicht so, wie ich es mir damals  sehnlichst erhofft habe.

Und ich wollte sicher NICHT eine Unehrlichkeit in mir und um mich herum, zumindest was meine Errungenschaften auf dem Weg und meine Unzulänglichkeiten betraf, verbreiten. Lieber nichts sein, lieber als nichts erscheinen als als etwas, was ich nicht war. Das war mir damals (heute auch noch?) wichtig. Wer mich jenseits der Kurse und des Ashrams kannte, wusste um all meine vermeintlichen Schwächen.

Veränderungen und der starke Wunsch nach ihnen, das wurde mir klar, waren keine einfache Angelegenheit. Immer wieder sah ich WeggefährtInnen um mich herum, die diese Veränderungen scheinbar dank ihrer Willenskraft zuwege brachten. Ich bewunderte das, genauso, wie ich als Kind stillere Mitschüler, die mir cool und abgeklärt erschienen, genau um diese Eigenschaften beneidete.

Mit den Jahren verlor ich die Hoffnung. Es war auch ein trauriges Gefühl – das Gefühl, wohl zumindest in diesem Leben, nicht so ganz genügen zu können, für den Weg nicht recht geeignet zu sein. Obwohl ich das doch so sehr wollte! Gottseidank machte ich nicht die nicht erfüllten Gebete und Guru Gitas und in vielen Feuerzeremonien verbrannten Wunschzettel für das Scheitern meiner Veränderungswünsche verantwortlich. Ich weiß nicht, warum ich das nicht tat. Denn ich tat ja, wie mir schien, alles, was ich in den Schriften als notwendige Voraussetzung für Veränderungen gelesen hatte, mal von dem Willenseinsatz abgesehen :).

Es folgte eine gewisse Erleichterung, die ich aber mit Argusaugen beobachtete – sie könnten ja nichts weiter als eine billige Ausrede sein.

Was soll ich sagen? Etwas ganz anderes machte sich breit. Nach der Erleichterung kamen viele freudvolle und leidvolle Erfahrungen, alle hausgemacht, nur von mir selbst – wir Yogis würden sagen, meinen Prägungen, verursacht. Am Anfang einer dieser freudvollen Erfahrungen, die aufstieg mit der bedrohlichen Morgenröte des Leidens am Horizont, empfahl mir meine Meisterin, „auch einmal Hilfe von außen“ anzunehmen, um scheinbar unüberwindliche Hindernisse von einer anderen Seite her zu betrachten. Das tat ich, wobei ich innerlich die Forderung stellte, dass sie mir die Hinweise auf solche Methoden mit ihrer für mich deutlich wahrnehmbaren Präsenz eröffnen müsste. Das geschah auch tatsächlich.

Das Ergebnis war mager. Ich hatte viele, zu tiefst ergreifende Erlebnisse. Aber wirkliche innere Wandlung brachte das Ganze nur indirekt. Ich erkannte das, was mir ein lieber Mentor schon vor vielen Jahren, als ich noch am Anfang meines Weges stand, gesagt hatte: Von der spirituellen Sicht aus kann man sich all diese Maßnahmen einfach ersparen. Sie führen nicht weiter.

Jetzt ist mir das klar: Veränderungswünsche sind alles Wege weg von der Selbstliebe. Meine Meister haben NIE gesagt, dass ich mich achten, lieben, wertschätzen solle, NACHDEM ich all das verändert habe, was mich an mir so sehr störte. Sie haben mich nicht gelehrt, dass ich erst dann Shiva bin, wenn ich meine inneren Hindernisse mit Willenskraft überwunden habe, zumindest nicht so, wie ich das am Anfang verstanden habe.

Meine erste Erfahrung von „ich bin alldurchdringend, überall, zu jeder Zeit“ hatte ich schon 1977, nachdem ich gerade ein paar Jahre auf dem Weg war. Heute weiß ich, dass der Weg der Selbstliebe aufräumt mit Unzulänglichkeiten, nicht, weil sie notwendiger Weise verschwinden, sondern weil sie an Bedeutung verlieren verglichen mit der unglaublichen Wahrheit meiner Selbst.

Es ist DIESE Erfahrung, die alles andere, was man auf dem Weg erlebt, in den Schatten stellt. Zutiefst wünsche ich allen dieses Erlebnis, die Gewissheit, dass keine noch so große Schwäche dein Shivasein beeinträchtigen kann. Diese Ahnung allerdings mag erst möglich sein, nachdem man trotz aller intensiven Versuche, die eigenen Fehler zu überwinden, gescheitert ist. Ob so ein Text manche meiner LeserInnen vor dieser leidvollen Erfahrung bewahren kann, weiß ich nicht, aber ich würde es mir sehr wünschen.

Alles Liebe euch allen!

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Toleranz, mal anders :)

LehrerInnen, die den Yogaweg lehren und sich mit ihm auskennen, können sehr wohl zu Klarheit und zur Festigung von Verständnis beitragen. 

Ich bin mir sicher, dass es viele Wege gibt, aber das sind nur Unterschiede in Namen und einigen Formen. Die innere Unruhe ist universell, zumindest uns Menschen zu eigen. Sie zu beruhigen, damit wir mehr als nur ihre Befürchtungen erleben können, wird mehr oder weniger explizit die Aufgabe eines jeden ernst zu nehmenden geistigen Weges sein.

Kluge, weise und barmherzige Menschen haben ihr Leben der Erforschung der Möglichkeiten, die innere Unruhe zu besiegen, hingegeben. Ihren Persönlichkeiten gemäß haben sie Wege entdeckt, die sie lehrten. Der Yogaweg ist so ein Weg. Er stellt allerdings nicht die Einzelleistung eines Lehrers, eines Meisters da. Er wurde immer wieder, immer aufs Neue ausprobiert und für effektiv befunden. Das findet bis heute, seit Tausenden von Jahren, statt.

Das Gleiche gilt für andere Wege. Ich bin mir sicher, dass der indianische Medizinmann oder Schamane auch Wege lehrt, die über Tausende von Jahren weitergegeben wurden, ausgefeilt, immer wieder getestet. So gibt es diese Wege in den meisten Bereichen, die Menschen auf diesem Planeten bewohnen. Aber es gibt auch Kulturen, die durch Menschen und Systemen geprägt wurden, die schnell begriffen, dass solche Wege den Machtdurst dieser Menschen im Wege stehen. Manipulationen, Bedrohungen, Folter, etc. gehen kaum bei Menschen, die sich gänzlich von der Identifikation mit all den Dingen befreit haben, die sie haben und nicht wirklich sind.

Die westliche Kultur, und all ihre Ableger, war nicht der Freiheit verschrieben, die, wie die Yogatexte behaupten, die Essenz von Ich-Bewusstsein ist (nein, nicht Ego-Bewusstsein). Sie hat über Hunderte von Jahren Menschen vertröstet auf ein Paradies, das kommen wird, wenn sie Leid, Unfreiheit, Unterdrückung, sogar ihres Denkens, als gottgewollt hinnehmen. Sie wurden angehalten, ihren gesunden Menschenverstand über Bord zu werfen und „einfach zu glauben“, auch wenn das total ihrer Erfahrung widersprach.

Unsere Kultur ist also eine Art spirituelle Wüstenregion. Das gilt so gar nicht für die Menschen, die hier leben. Ihre innere Unruhe ist nach wie vor nicht zur Ruhe gekommen. Die angebotenen Lösungsansätze überdecken nur notdürftig die immer noch ungestillte Sehnsucht. Wir haben also keine Erfahrung mit geistigen Wegen mehr und wollen doch etwas tun, müssen etwas tun, um die innere Leere zu füllen, die in den Tätigkeitsverschnaufpausen auftaucht, wie ein schweigendes Monster. Wenn du dann älter wirst und nicht mehr von einer Sache zur anderen spurten kannst, dann öffnet sich diese Leere, auch wenn du sie noch so sehr mit Alkohol und Fernsehen oder anderen großen „Wichtigkeiten“ zudecken möchtest.

Wenn du dich dann auf den Weg machst, dann findest du eine Unzahl von Angeboten, voller Widersprüche, voller Versprechungen und personenbezogenen Ansätzen. Ein Hopi ist da nicht verführbar, und ein traditioneller Inder auch nicht, genauso wenig wie ein Sam in Afrika und ein Aborigine in Australien. Weil du ja kulturell schon so vorbelastet bist, glaubst du, dass auf dem Gebiet des „Glaubens“ dein gesunder Menschenverstand fehl am Platze ist. Und du glaubst einfach einmal. Machst deine Erfahrung, lässt dich verführen, fällst auf die Nase, bist tief enttäuscht. Manche wenden sich dann wieder ihren „Wurzeln“ zu, obwohl die dich ja ursprünglich auf die Suche „geschickt“ haben.

Andere taumeln von einem Weg zu anderen, und meinen, dass sie mit der Zeit ihr ganz Ureigenes zu formen haben, zu finden haben. Dem versuchen sie zu folgen. Und da dann das Ego die Zügel in die Hand nimmt, können sie immer weniger vor sich und anderen zugeben, dass sich innerlich NICHTS getan hat. Es gibt dann dieses Doppelleben, nach außen mit allen Anzeichen eines spirituellen Lebens, nach innen mit, je nach Persönlichkeit, der Ahnung, dass das ja alles nicht stimmt. Oh je.

In meinen Texten und meiner Arbeit geht es mir darum, den traditionellen Yogaweg aufzuzeigen, den ich jetzt seit fast 40 Jahren gehe, den ich studiere, der mich nach wie vor fasziniert und lehrt. Ich möchte, was auf Grund von Erfahrung ohne weiteres möglich ist, Menschen helfen, nicht jeden Unsinn zu glauben und für wichtig und „spirituell“ zu halten. Das heißt nicht, dass ich nicht erkenne, dass auch andere Vorgehensweisen wertvoll sind. Aber viele, viele, viele sind einfach Irreführungen, Halbwahrheiten, ego-getriebene Missverständnisse.

Wie ich mich erdreisten kann, das so zu beurteilen, mag sich die Leserin/der Leser fragen. Und das ist eine berechtigte Frage, wie ich finde. Ich benutze meinen gesunden Menschenverstand, der im Yoga eine zentrale Rolle spielt, wenn man Wahrheit auf die Spur kommen möchte. Ich hatte das GROSSE Glück, einen Meister, eine Meisterin zu haben, die klar und wirkungsvoll diesen Yogaweg zeigen konnten und können, wie er in den alten Texten immer wieder, mit so vielen Worten und Beispiele beschrieben wird. Ein guter Schneider kann gut sehen, wenn der Kaiser keine oder sehr schlecht genähte Kleider trägt. Und wenn es dann das herausstreicht, dann ist er weder arrogant noch anmaßend.

Es ist jede und jeder eingeladen, mit mir über die Dinge, die ich hier schreibe, zu diskutieren, zu argumentieren. Für viele geht das nur in begrenztem Maße, weil sich ganz schnell das Ego outen muss und man dann halt auf Meinungsvielfalt und -freiheit pocht, was jegliche Auseinandersetzung ein Ende bereitet.

Wenn jemand sagt, dass man einfach so, jetzt, und dann auf Dauer erleuchtet, frei und sich seiner Vollkommenheit bewusst sein kann, dann möchte ich das mal sehen, möchte sehen, wo diese Freiheit, die Vollkommenheit bleibt, wenn der Körper große Probleme macht, wenn im persönlichen Leben Beziehungen schmerzhaft zu Ende gehen. Ich bin vielen Menschen in meinem Leben begegnet, die alle möglichen „Wege“ gehen, aber eine wirkliche innere Transformation konnte ich bei wenigen sehen, hin zur Freiheit, zu innerer Ruhe oder zumindest zur Fähigkeit, diese immer wieder herzustellen. Aber bei Schülern meiner Gurus konnte ich das sehen, dauerhaft, zu tiefst und umfassend. Seit fast 40 Jahren begleite ich Menschen, die mich lassen :), auf diesem Weg und ich sehe, das er heute genauso funktioniert, wie vor Tausenden von Jahren, als die großartigen Texte der Tradition verfasst wurden.

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Wenn die innere Kraft erwacht

ändert sich alles. Ohne das Erwachen der Kundalini Shakti, dieser inneren Kraft allerdings ist das Leben eines Menschen ziemlich belanglos. Es ist so, als würde man das Potenzial des menschlichen Lebens in keiner Weise ausnützen.

Wenn die Kundalini Shakti im Menschen aktiv wird, dann, so heißt es in den Yogatexten, beginnt ein zweites Leben. Kundalini verändert dann alles, jeder Lebensbereich ist betroffen und man sollte besser wissen, was da genau passiert, um sich nicht mit Missverständnissen zu verwirren.

Wieso passiert da überhaupt etwas? Nun, die Kundalini ist die Kraft in uns, die uns von alten psychischen, unerledigten Erfahrungen, die aus Urzeiten und aus jüngster Vergangenheit herrühren können, befreit. Die Yogameister nannten das immer Läuterung. Während wir im grobstofflichen, physischen Bereich mit Fehlernährung allerlei Dinge in unserem Körper einlagern, die er nicht so ohne weiteres wieder abbauen kann, so lagern wir im feinstofflichen „Software“-Körper alle möglichen psychischen, nicht richtig oder vollständig verarbeiteten Erlebnisse ein. Wie diese Erlebnisse GANZ verarbeitet werden können, dazu später.

NUR die Kundalini hat die Fähigkeit, diese Läuterung durchzuführen. Ein „Cakra“-Therapeut, der da behauptet, reinigend, entblockend oder wie auch immer tätig zu werden, hält seine Klienten und sich selbst nachhaltig zum Narren. Die „Verunreinigung“ des feinstofflichen Systems ist vierdimensional und die Verästelung dieser Ablagerungen ist unendlich komplex, viel zu komplex für den menschlichen Verstand, für die menschliche Psyche. Auch jemand, der alle möglichen medialen Fähigkeiten hat, kann das nicht leisten.

Wenn solche „Cakra-Arbeit“ tatsächlich wirken würde, läuternd wirken würde, dann würde es immer wieder zu fatalen Folgen kommen. Und nur weil man dann „doch etwas spürt“, heißt das noch lange nicht, dass auf der CAKRA-Ebene etwas passiert ist. Wer die Komplexität verstehen oder erahnen möchte, der lese doch die Shat-Cakra-Nirupana, zu der eine deutsche Übersetzung im Buch „Die Schlangenkraft“ existiert. Das ganze, hoch komplizierte Buch ist ein Kommentar zu diesem ziemlich kurzen Text.

Die Kundalini Shakti hat die umfassende Intelligenz, um diese Läuterung so durchzuführen, dass du nebenbei, sozusagen, auch noch ein ziemlich „normales“ Leben führen kannst. Nur, du wirst auch deinen Teil dazu beitragen müssen. Und der besteht aus Studium. Du musst über die Wirkweise dieser Kraft lesen, und nicht die schönen bunten Cakra-Bücher à la „Das große Chakra-Buch“ etc. Es gibt ein paar gute Werke, die einigermaßen verständlich beschreiben, was da genau passiert. Eines ist von Swami Kripananda, dann gibt es ein Buch, das heißt Devatma Shakti, das fast schon katalogartig die möglichen Erlebnisse aufzählt, die die Kundalini auf ihrem Weg durch den feinstofflichen Körper hervorruft.

Diese Kraft ist nicht eine Kraft wie Strom oder Wind oder eine andere natürliche Kraft. Sie ist DIE Schöpfungskraft, aus der, so behaupten die Yogatexte, das ganze All hervorgegangen ist. Quasi die Kraft HINTER dem Urknall, wobei sie, wie die Yogis des Kaschmirischen Schivaismus behauptet haben, unzählige Universen auf einmal erschaffen hat. Im Menschen findet ihre Ausdehnung, Schöpfung genannt, ihren Ruhepunkt. Und dort ruht sie dann, bis sie entweder spontan oder durch einen Shaktipat-Meister erwacht.

Mein Meister, meine Meisterin sind Shaktipat-Gurus. Das ist nicht nur eine Behauptung eines Schülers, sondern das sind die Erlebnisse vieler, vieler Menschen. Selbst wenn die Kundalini-Shakti spontan erwacht ist, weil für einmal in deinem Leben die positiven und negativen Schicksalskräfte exakt im Lot waren, ist es unabdingbar, dass man den Schutz und die Anleitung eines Gurus, der es verdient, diesen Titel zu tragen, sucht und annimmt. So jemand sollte in der Lage sein, sich mit der Kundalinienergie seiner SchülerInnen zu verbinden und sie von innen her zu leiten. Wem das zu abgefahren klingt, den mag ich beruhigen. Auch wenn das nicht möglich wäre, ist es doch von Nöten, mit jemanden diese Entwicklung durchzuleben, der sich total damit auskennt. Diese Person sollte wissen, was mit dir passiert, sollte deine Erlebnisse für dich einordnen können und dir helfen können, sie in deinen Lebensalltag zu integrieren.

Warum die intelligente Kundalini das nicht alles selber macht, fragst du dich vielleicht. Vielleicht war das in Kulturen so, wo es kultureller Standard war, über diese Kraft und ihre Wirkweisen zu wissen. Bei uns allerdings ist das schon lange nicht mehr so. Es besteht allerlei werbemäßig gut verpacktes Pseudowissen (siehe „Cakra-Arbeit“) und kein originäres Verständnis über den Prozess der sich ausdehnenden Kundalini-Kraft.

Der Verstand, oder genauer gesagt, der Geist MUSS das, was da passiert RICHTIG verstehen, er muss sich NEUE Interpretationen aneignen, sonst kann er nicht anders, als in seinen Erinnerungen zu graben, wenn du eine der unendlichen Kundalini-Erfahrungen hast. Was er dir dann als Erklärung auftischen wird, ist völlig unbrauchbar und meist mit unnötigen Sorgen verbunden.

Bald mehr darüber.

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Weg-Fragen

Wir Menschen kommen mit bestimmten Absichten auf die Welt. Zumindest behaupten das viele Kulturen. Wem „Absicht“ zu konkret ist, der kann auch „Aufgaben“, „Prägungen“, „Veranlagung“ und ähnliches dazu sagen.

Meines Erachtens sind alle dieser Vorhaben zuerst einmal neutral zu betrachten. „Gut“ und „böse“, „falsch“ und „richtig“ sind Dinge, die im Nachhinein hinzugefügt werden. Ist es ein Ausprobieren? Sind es Experimente? Sind es zwanghafte Versuche, alte Wunden zu heilen, ungelösten Dramen ein Happy End zu verpassen? Inwiefern ist Freiwilligkeit im Spiel, inwiefern ein Geworfensein, eine Unausweichlichkeit? Wer mag das letztendlich, ein für alle Mal beantworten? Die, die es könnten, sagen nichts dazu.

Manche arbeiten sich am Macht-Ohnmacht-Dilemma ab, andere an Liebe und Täuschung, an Zugehörigkeit und Ausgeschlossensein, an Wissen und Borniertheit, an Erkenntnis und Hybris, an Heiligkeit und Scheinheiligkeit. Das sind alles legitime Versuche. Die Yogatexte, die sich damit befassen, und viele tun das wie selbstverständlich, in Nebensätzen und mitten in Texten, die anderes zum Thema haben, sprechen von einem Drang zum Ausgleich, der letztlich nur in Liebe möglich ist. Und dabei ist nicht die Liebe gemeint, die ab- und zunimmt, die Gründe hat, die in Hass umschwenken kann, die mit Anziehung und Zuneigung zu tun hat.

Mit etwas lockerer Distanz betrachtet, ist unser Leben ein großes Labor. Mein Meister nannte das Leben eine Universität, an der man lernt und studiert. Was man studiert, ist, wie an der Uni, unterschiedlich.

Manche aber erreichen einen Punkt in diesen „Versuchsreihen“, da sich auf einmal oder mit der Zeit herauskristallisiert, dass all diese Versuche wohl eher Nebensachen sind, weil sie wichtige, immer brennendere Fragen nicht beantworten können. Wenn Beziehung, Wohlstand, Wissen, Macht, Familie, Ansehen, etc. NICHT glücklich machen, so könnten zum Beispiel eine Frage lauten, was ist es dann, was mich antreibt, was will ich denn wirklich? Was ist Glück, was ist Zufriedenheit? Die yogischen Texte sagen uns, dass jeder Mensch seine Wünsche erfüllt sehen wird, samt den Folgen der aus ihnen resultierenden Taten. Und dann gibt es Situationen, wo du endlich erreicht hast, was du gesucht hast, und merkst dann, dass es das doch nicht war. Was für ein böses Erwachen! Nach all der Mühe, all der Entschlossenheit, all dem Training, ist das Ergebnis nur ganz kurz befriedigend, besonders im Vergleich zur Mühe.

Du willst Reichtum und sagst, lass den vamdev doch schreiben, und gib mir… (welche Summe auch immer), das genügt mir. Man kann ja sagen, dass einem Statistiken gleichgültig sind, weil man anders als alle anderen ist. Die Statistiken bei Lottogewinnern sprechen aber eine klare Sprache. 70 Prozent aller Gewinner von Millionenbeträgen stehen wenige Jahre später finanziell schlechter da als vor dem großen Los. Auch haben Lottomillionäre eine besonders hohe Selbstmordrate.

Wunscherfüllung? Wohl eher Wunschverführung! Manchmal fragen mich Menschen, welche Ziele ich im Leben habe, welche Träume. Dann verweise ich vorsichtig auf mein Alter. Aber das mag sie nicht abbringen von ihren Fragen. Was will ich mit Träumen und Zielen, was soll man damit? Jede und jeder, so heißt es in einem alten Shaivatext, lebt sein Schicksal aus. Also, was nützt mir da das Wollen und Träume haben? Liegen meine Wünsche und Träume mit meinem Schicksal, meinem Karma auf einer Linie, dann heißt es, der hat es geschafft, mit eigener Willenskraft, er lebt seine Träume. Wenn das nicht der Fall ist, heißt es, dass man gescheitert ist.

Für Yogis und Yoginis gibt es kein Scheitern. Wir sind auf dem Weg, wir verstehen langsam die Zusammenhänge hinter allem, wir erkennen mit der Zeit, dass all das, was wir so lange als sehr wichtig und essentiell angesehen haben, nur Beilagen zum eigentlichen Gericht des Lebens sind. Warum nicht die Folgen der alten Wünsche, Träume und Handlungen, die ja deine Lebenszeit ausfüllen, nicht mit tiefer Einsicht in die Zusammenhänge und mit Vehemenz ausleben – runterleben, kann man da auch salopp sagen.

Wenn du Rennfahrer bist, dann fährst du möglich gut auf einem vorgegebenen Kurs, du machst nicht Geraden rein, wo Kurven sind und fährst auch nicht mal einfach so in die andere Richtung. So kann man das Leben auch sehen. Der Kampf um Aufstieg und Abstieg, gesellschaftlich, materiell, intellektuell, ist wohl eher ein Scheingefecht, ein Kampf mit Windmühle, mühsam, heftig, aber wenig wirkungsvoll.

Wir können unseren Neigungen nicht entkommen, unsere Prägungen. Brauchen wir auch nicht. Wer das versucht, der schenkt ihnen viel zu viel Aufmerksamkeit, wie eine Ein-Personen-Gondel, in die eine Fußballmannschaft einsteigen soll: viel zu viel Gewicht. In Wirklichkeit ist das Leben das GROSSE Geschenk, das wir uns selbst, Shiva, schenken, jede Sekunde aufs Neue. Und zu diesem Leben gehören nicht nur die scheinbar äußeren Ereignisse, sondern auch unsere Art und Weise, sich mit ihnen und in ihren zu bewegen.

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Tun und Nichttun

Das ist ein Beitrag zu den wunderschönen Kommentaren (zum Artikel „Unausweichlich“) von Norbert und Astrid, da beide Kommentare zusammen ein Dilemma aufzeigen.

Im Zen habe ich zum ersten Mal den Begriff von „Nichttun“ gehört, im Yoga nennen das die Autoren der Schriften „du bist nicht der Handelnde“ und bezeichnen dieses Autorengefühl als „karma mala“, der Makel des Gefühls, zu handeln.

Vielleicht denken jetzt manche, „das ist doch nur esoterischer Quatsch: denn wer macht meine Steuer (das wäre also meine Frage, denn daran sitze ich gerade, wie jedes Jahr, mir leicht schmerzhaft über meine Fähigkeitsbegrenzungen bewusst)? Wer kocht das Essen, wer bringt mein Auto zum Kundendienst? Der Körper ist es nicht, der Geist auch nicht, denn ohne Ich macht auch der nichts.

Viele Menschen erhoffen sich, dem Nichttun, das also große Tugend im Buddhismus verehrt wird, näher zu kommen, in dem sie die Aktivitäten ihres Lebens unter die Lupe nehmen. Sie fangen an, vieles, was sie tun, zu hinterfragen und haben dann ein besonders „spirituelles“ Gefühl. Sie meinen, dass es Handlungen an sich gibt, die nicht spirituell sind, und andere, die es sind. Meist werden solche Bemühungen durch das eigene Naturell immer wieder gestört (wenn du Glück hast!) oder dein Schicksal „funkt“ dazwischen. In solchen Zeiten zerkrümelt dann all das schöne Nichttun.

„Gut“, magst du jetzt sagen, „dann sollte ich vielleicht mit weniger Ego handeln“ (manche sind da schon etwas weiter und wollen „ohne Ego“ handeln). Dann stellst du dein „Egometer“ auf (wo es das zu erwerben gibt, würde mich interessieren), und schickst jede Handlung durch dieses Messgerät. So langsam bekommst raus, wie man das Gerät bedient. Du filterst sozusagen das Ego aus deinem Tun heraus. Meinst du.

Jeder, der das versucht, macht Endlosstrafrunden wie beim Biathlon. Du bewegst dich, schwitzt, wirst vielleicht sogar ziemlich müde, lernst neue Techniken, wie du deine Kurven in diesen Strafrunden besser durchlaufen kannst, aber irgend wohin kommst du nicht. Und was noch schlimmer ist: Du fängst vermutlich auch an, die Taten anderer auch durch dein Egometer zu schicken und wirst zum Egorichter: „Dein Ego ist schon noch sehr stark“ oder „Nimm doch dein Ego zurück“, etc., etc. Dann kommt ja (leider) die Krönung dieser Egometer-Übung: Du merkst, dass du, nach deinem Egometer zu messen, kein Ego mehr hast.

Oh je! Leider finden solche Menschen dann noch Unglückliche, die ihnen diese Fassade abnehmen, als echt und wahr. Dein Egometer ist nur dein Ego, das sich damit sozusagen eine geniale Tarnkappe hat einfallen lassen.

Wie kann man mit diesem Widerspruch umgehen – Tun – Nichttun? Nun, Handeln ist notwendig, das sagt Krishna schon in der Bhagavad Gita. Nicht zu handeln, ist ein Irrtum, der davon zeugt, dass der, der ihn hat, sein Sein noch in erster Linie als Psyche Plus (Handeln, Denken, Fühlen und Persönlichkeit/Charakter) erfährt. Auch wenn dein Verständnis da schon weiter zu sein scheint, es ist noch nicht eingesickert, es durchdringt dich noch nicht. (Ist übrigens kein Problem, wenn man das weiß und einfach weiter macht).

Pragmatik ist da ein Segen. Wenn du merkst, dass bestimmte deiner Handlungsweisen schmerzhaft für dich sind, dann versuche, sie zu ändern. Wenn du merkst, der Aufwand lohnt das Resultat in keiner Weise, dann ändere deine Einstellung diesen Handlungsweisen gegenüber. Bei diesen Veränderungsversuchen solltest du dann deinen gesunden Menschenverstand einsetzen, dir überlegen, ob eine Veränderung wirklich nur Vorteile bringt. Aber das tun ja schon viele. Das Hinnehmen als zweite Möglichkeit verbreitet sich auch langsam unter den Yoginis und Yogis, wobei diejenigen, die noch heftig versuchen, ihre Handlungsweisen umzukrempeln, daran oft kritisieren, dass man „es sich da ziemlich einfach macht“.

Mit der Zeit, und das ist für mich immer noch das Wunder, auch wenn ich es durch und durch begreife, mit der Wirkung der Gnade, der Arbeit der Kundalini (wer nicht weiß, wer oder was das ist, der sollte bitte das Buch Kundalini – die göttliche Kraft von Swami Kripananda lesen!) und deiner Praxis findet ein tiefer, durchdringender Wandel statt: Deine Erfahrung, dein Verständnis von dir selbst, wandelt sich grundlegend. Für mich ist das – was ich ja schon oft geschrieben und beschrieben habe – der wahre mystische Prozess: Du erahnst mit der Zeit, dass du nicht wirklich du bist. Zumindest nicht du, wie du vorher, früher, geglaubt und dich erfahren hast. Mit der Zeit erkennst du, dass du all das HAST, und nicht bist: Gedanken, Gefühle, Handeln, eine Persönlichkeit, einen Charakter. Das kann man zwar lesen und studieren, diskutieren und verstehen, aber das ERLEBNIS davon ist umwerfend. Das Wundervolle dabei ist, dass du erlebst, was alle Meister (die welche waren; muss man heute leider erwähnen) geschrieben haben. Was du vorher als eher abstrakt oder bildhaft beschrieben verstanden hast, wird jetzt deine Wirklichkeit, mehr und mehr. Du entdeckst den WAHREN Prozess des Yoga: Er findet zum Großteil unterhalb der Ebene deines Alltagsbewusstseins statt.

Wenn du den Eindruck hast, dass da jemand unter dem Deckmantel der Mystik irgendwelche Sachen behauptet, die niemand beweisen kann, ist das verständlich. Aber eben: jeder lebt, denkt und redet aus dem Zustand seines eigenen Verständnisses heraus.

Ich weiß inzwischen, nicht nur aus dem Studium und nicht mehr aus Vermutung heraus, dass es diesen Prozess gibt, den du nicht so recht mitbekommst. Vermutlich nicht einmal deshalb, weil er so subtil etc. ist, dass man das halt nicht merken kann, sondern weil du in eine Richtung (im übertragenen Sinne) blickst, während alles in einer ganz anderen stattfindet. Schon einige Zeit denke ich darüber nach, wie man das anders machen könnte, wie man von Anfang an gleich in die richtige Richtung blicken könnte. Bisher habe ich das noch nicht herausgefunden. Alle scheinen das von je her so gemacht haben. DAS ist für mich die wahre Bedeutung des Sutras „Yogische Erfahrungen sind erstaunlich“ aus den Shiva Sutras (1; 12). Das Ergebnis ist unerwartet und nicht vorstellbar, weil man nicht dorthin blicken kann, wovon es her kommt.

Vielleicht, vielleicht kann man es erahnen in der Gesellschaft von Meistern, Heiligen, aber dazu müsste man in der Lage sein, ihnen ganz zu vertrauen, sich ihnen ganz hinzugeben. Unser Ego, das wir ja dann eindeutig als Ich erfahren, müsste aufgeben, Richter dieser Beziehung zu sein. Aber wie soll das gehen? Die Meister warnen uns, vorsichtig zu sein, zu prüfen. Aber wie, ohne das Ego in diesem Prüfungsprozess zu involvieren? (Das geht, wenn man die Texte studiert, die erläutern, wann ein Meister/ein Heiliger sich also solcher bezeichnen kann (Kularnava Tantra spricht darüber).

Nur im Auftauchen von „Ich bin Shiva“ löst sich das Dilemma von Tun und Nichttun. Vorher ist der Weg dahin leider von Missverständnissen gepflastert. Was nicht schlimm ist, wenn man Kurskorrekturen immer wieder erlauben kann. Das Tun einzuschränken ist dabei nicht unbedingt notwendig, aber die innere Aufregung könnte man schon reduzieren. Sonst ertrinkt man noch – zumindest fühlt es sich so an – im Wirbel des nach außen gerichteten Bewusstseins (das die meisten Menschen als „Leben“ erfahren).

Also, handeln ist nicht das Problem. Ich kann auch nicht lernen, egolos zu handeln. Ich kann nur das Mantra wiederholen, die Texte der Meister hören, studieren, darüber nachdenken, meditieren, die Bereitschaft kultivieren, sich belehren zu lassen, immer wieder, immer wieder.

Nichttun ist ein Seinszustand, keine Aktivität oder ein Fehlen dieser. Das ist das entscheidende Verständnis zu diesem Punkt. Insofern sind beide Kommentare zu ihrer Zeit für einen Übenden von Bedeutung. Denn, um mit Norberts Worten zu schreiben: Der Bäcker bin ICH. Das muss am Ende herauskommen.

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Der Unterschied zwischen Wiederholung und Vertiefung

Wer aufmerksam den Blog hier liest, hat sicher schon festgestellt, dass sich viele Themen auf verschiedene Weise wiederholen. „Dem vamdev fällt halt nicht mehr ein“, könnte man rückschließen. Aber wer sich genauer damit befasst, der begreift, dass dem nicht so ist.

Auf dem Yogaweg, so hat das der große Meister aus dem 8. Jh., Shankara, beschrieben, gibt es drei Stufen, mit Wissen umzugehen: shravana, manana und nidhidhyasana. In Indien ist das sowieso klar, dass Lesen, Zuhören, Aufnehmen ALLEIN sicher nur zu intellektueller „Abfütterung“ führen, wo man dann einfach irgendwann einmal richtig satt ist. Die Amerikaner nennen das „been there, done that, bought the t-shirt (war da, hab mitgemacht und mir das T-Shirt gekauft)“.

Es geht auch nicht um einfaches Erlernen der Übungen, der Grundsätze, der Inhalte. Die Meister haben mit allen Möglichkeiten versucht, diese intellektuelle Festplatten-Speicher-Lernerei (möglichst viel raufkopieren, und jeder Zeit genauso abrufen können) durch kryptisches Schreiben zu verhindern. Man lernte Sutras auswendig, nicht damit man keine Bücher mit sich rumschleppen musste, sondern weil man damit deren Inhalt immer wieder in sich wenden, bedenken, vertiefen konnte.

Wissen auf dem Yogaweg ist ein kleiner Teil. ERKENNTNIS braucht zwar Wissen, aber es muss durch stete Wieder-Herholung verdaut werden. Und ein paar Kurse, um sich die Info reinzuziehen, sind da ganz sicher nicht genug. Oder ein Buch lesen, dann nochmals, und dann weglegen und denken, ok, das habe ich jetzt intus. Nein, das genügt noch lange nicht.

Wissen führt nicht zu dem, was der yogische Prozess verspricht: zu Freiheit, zu Ich bin Shiva. Ein Lehrer meines Meisters hat einmal gesagt: Eine effektive Art, die Lehren zu studieren, ist sie immer und immer wieder aufzunehmen. Er sagte, die Worte der Meister wären wie heilige Texte mit unendlichen Bedeutungsebenen. Was für eine präzise Art, das zu erläutern! Er sagte auch, dass man die Lehren des Meisters nicht benutzen sollte, wie das sicher viele tun, um sich in ihren Worten die eigenen Voreingenommenheiten zu bestätigen.

Shravana bedeutet zuhören, genau zuhören, aufnehmen, oder auch lesen. Dann muss aber manana folgen, und das ist ein interessanter geistiger Vorgang. In unserer Sprache und Kultur kommt dem das Wort „Kontemplation“ am nächsten. Was bedeutet das? Rumhirnen, wie die Schweizer das nennen? Psychologisches Brüten, wie das ein anderer Schüler meines Meisters einmal nannte? Ich erlebe das wie ein gezieltes Kreiseln um eine Lehre, die mich gerade beschäftigt, wie zum Beispiel: „na shivam vidyate kvacit“ (es gibt nichts, was nicht Shiva ist).

Ich lasse mich davon erfüllen, aber das ist, auch wenn es der Sprache nach nicht so klingt, ein aktiver Prozess, den ich immer wieder anstoße. Manana führt zu einer tiefen Verwandlung deiner Art zu denken, und dann schließlich auch deiner Welterfahrung. Denn, und um das zu wissen, muss man nicht auf dem Yogaweg sein, deine Lebenserfahrung fußt auf immer wieder gehegten Gedankengefühlen.

Die „Kenn-ich-schon“-Haltung führt dazu, dass dein Weg austrocknet, und das schon nach relativ kurzer Zeit! Vergesst euer Studium und euren Mathe-Unterricht! So kann man Yoga nicht „lernen“.

Denn zu manana kommt auch noch nidhidhyasana, das Ins-Leben-bringen der Lehren der Meister. Man könnte es auch als ein Ins-Leben-Ausgießen beschreiben, es geschieht natürlich, aber es ist trotzdem eine sehr feine, subtile Art, deine Entschlossenheit einzusetzen, aufmerksam zu bleiben. Es bedeutet auch nicht, die Lehre sozusagen in dein Leben zu pressen, sie zurecht zu schneiden, ein Plätzchen für sie finden, irgendwo, unter all den ganz wichtigen Dingen des Lebens. Viel mehr bedeutet das, zu erkennen, dass das Leben dein Ort der tiefen inneren Transformation ist, die notwendig ist, um Yoga zu erfahren.

Wer das auch nur ein wenig versteht, weiß, dass unser Wort „Studium“ nur begrenzt diese yogische Entwicklung beschreiben kann. Sie geht weit über das hinaus, was wir mit „Studium“ verbinden.

Eine gute Zeit allen Leserinnen und Lesern!

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„Warum sich von dieser Welt fernhalten?“ – Kabir

Nicht, dass wir uns da missverstehen, betreffend meines letzten Artikels. Wie eben Kabir, der große Dichter und Meister aus dem 15. Jh., sagte, warum sich von der Welt fernhalten? Wenn der Geist endlich begreift, dass die innere Unruhe vom nach außen Strömen des Geistes kommt, und wenn er gleichzeitig das große Glück hat, sich der Möglichkeit zu öffnen, dass es auch die andere Richtung gibt, nach innen, dann kann man wirklich Sinnesvergnügungen erfahren. Dann braucht es nicht mehr die Überlastung der Sinne, der inneren UND äußeren, um tiefes Vergnügen zu erleben.

Mein Meister hat das in seinem Buch „Spiel des Bewusstseins“ beschrieben. Einfache Klänge werden dann voller Anmut erfahren, einfaches Essen wird köstlich, die Überlastung der Sinne hat ein Ende. Das führt dann auch dazu, dass die Sinne eine vorher nicht gekannte Schärfe erlangen, und trotzdem nicht überempfindlich werden.

Natürlich haben wir unsere Prägungen, in deren Bahnen wir unser Leben erfahren. Sie sind wie unser Straßensystem, durch das sich Bewusstsein zum Beispiel als „ich bin vamdev“ ausdrückt. Diese Prägungen verschwinden, wenn alle Erfahrungen gemacht sind. Sie begrenzen die unendlichen Möglichkeiten auf ein paar wenige. Erleben wirst du das als „Interessen“. Das Meiste an Lebenserfahrungen, die man machen kann, taucht ja gar nicht auf deinem Bildschirm auf, gibt es einfach nicht. Diese Prägungen sind weder gut noch schlecht, sie sind für ein Leben im Körper notwendig. Yogis zerstören sie nicht, tun auch wenig mit ihnen, manipulieren sie nicht, sondern VERSTEHEN, dass sie eine notwendige Nebenwirkung sind.

Ich bin mir vollkommen sicher, dass man die Welt (oder was man als solche erlebt), nur dann genießen kann, in Liebe, die jenseits aller Beschreibung ist, wenn man seinen herrlichen Geist angefreundet hat mit der Idee, dass innen alles Verlangen, alle Hoffnung, alle Wünsche Erfüllung finden können. Wer das versucht, wird erleben, dass das so schwierig ist, wie jemanden, der Jahre im Rollstuhl war, aus psychischen Gründen, zu überzeugen, dass er auch ohne Hilfe gehen kann.

Aber, was für eine Liebe verpasst man, was für Erfüllung, ohne es zu versuchen! Selbstverständlich ist mir klar, dass jeder aus gutem Grund sich Prägungen für dieses Leben zurechtgelegt hat, die ihn oder sie vielleicht auch ganz und gar daran hindern, von dieser anderen Richtung ihres eigenen Geistes zu HÖREN, geschweige denn, diesen Richtungswechsel einzuleiten. Aber trotz alle dem stimmt es mich traurig, dass so viele das nicht erleben können. So wenig ist ihr Lohn für ihr Mühen! Nur Müdigkeit bleibt, Enttäuschung, leider meistens nur noch überdeckt von der Hoffnung, dass mit mehr Mühe doch noch Erfüllung zu erlangen ist.

Aber wenn du das dann begriffen hast, wenn du akzeptieren kannst, dass der Geist, vielleicht auch nach Jahren der Praxis, auch wenn deine innere glorreiche Kraft in dir wirkt, seine Hoffnungen einfach nicht so ganz lassen kann, wie herrlich wird dein Leben, welche Freiheit umweht dein Herz, welche Liebe ergreift jede Zelle deines Herzens! Jeder Sonnenstrahl wird ein neuerlicher Anstoß für deine Freude und der regenverhangene Himmel steckt deine Gedanken nicht mit seine Gräue an.

Wenn du so auf dem Weg bist, vergisst du das einfach manchmal, dein Geist versucht sich das alte Gewand des Hoffens und der Enttäuschung wieder anzuziehen, aber es ist doch viel zu eng geworden. Wie soll er da noch reinpassen :-)?

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„Ich tue, was du mir sagst!“ – kariṣye vacanaṁ tava: Hingabe und Selbstbestimmung

Das ist der letzte Satz der Bhagavad Gita, einem der wichtigsten Texte im Yoga. Davor gibt es über 720 Verse eine umfassende Unterweisung in wirklich alle Aspekte des Yoga (alle Kapitel der Bhagavad Gita werden als „Yogas“ bezeichnet).

Immer wieder erlebe ich in Diskussionen in meinen Kursen Fragen nach Selbstbestimmung, die, so glauben viele, auf dem Weg der Hingabe verloren geht. Wie kann ich mich hingeben, mich unterweisen lassen, mich belehren lassen, ohne dass ich blindem Glauben anheim falle? Muss ich nicht sogar mein Denken, mein Hinterfragen aufgeben, um Hingabe zu üben?

Zuerst einmal finde ich es bezeichnend, dass in der Meister-Schüler-Beziehung, die Rahmengeschichte der Bhagavad Gita, der Schüler (Arjuna) erst NACH all den Unterweisungen sich dazu durchringen kann, endlich dem zu folgen, was der Meister von ihm verlangt. Das bedeutet, dass sich der Schüler sehr wohl erst einmal alles, respektvoll und aufmerksam, was im Dialog erarbeitet wurde, angehört hat. Er hat sich nicht gleich, wie ich das schon des öfteren erlebt habe, mit großen hingebungsvollen Gesten dem Lehrer/Meister quasi vor die Füße geworfen mit Worten wie: „Hier bin ich, bitte sag mir, was ich tun soll.“ Er hat sehr wohl sein Lebensverständnis mit eingebracht, und immer weitere KLÄRENDE Fragen gestellt. Er war bereit, seine Zweifel aufzugeben, wenn er die Informationen bekam, die dazu notwendig waren. 

Versteht ihr, was ich damit sagen möchte? Auf dem geistigen Weg findet sicherlich kein Meinungsaustausch und auch keine Diskussion, wie sie hier üblich ist, statt. Es geht um Informationen, die möglichst klar beim Schüler ankommen müssen, damit er die für den Yogaweg wichtigen Schlüsse ziehen kann und seine Praxis mit Hingabe und starker Überzeugung durchführen kann.

Viele sogenannte Yogis hier bei uns haben sich eine Art yogischer Infothek aufgebaut, mit möglichst viel Detailwissen. Sie sind oft wie Rosinenpicker, die je nach Gutdünken, das eine dort, das andere wieder woanders lernen. Sie bestimmen die Inhalte, sogar die Art und Weise der Vermittlung. Wenn die ihnen nicht in den Kram passt, dann suchen sie sich andere Lehrer, andere „Übungsleiter“. So sammeln sie über die Jahre einen Berg an Infos, tauschen sie mit Gleichgesinnten aus, die auf ihrem „Weg“ genauso vorgehen, wie sie. Das sind dann die ominösen „Yoga“-Kongresse, auf denen man sich aus einem möglichst umfangreichen Katalog von Veranstaltungen wiederum die rauspickt, die einen „ansprechen“.

Vielleicht macht sich in manchen Lesern schon an dieser Stelle eine gewisse Empörung breit. „Was sollen wir denn sonst machen?“ wirst du dich vielleicht fragen. Es ist doch wichtig und gut, Bescheid zu wissen über die Dinge, die man dann eventuell mit großer Hingabe praktizieren soll. Ja, es ist entscheidend für die Ausdauer auf dem Weg, Wissen und ja, auch Informationen zu haben.

Aber wie werden wir JE loslassen von der Identifikation mit unserem Ego, die, wie es im Yoga heißt, einzige Ursache unseres Leids ist? Denn es ist dieses Ego, dem wir dann einfach nachlaufen, das bestimmt, was uns „anspricht“ und was nicht. Auf dem Yogaweg ist diese Art des „Lernens“ ganz sicher nicht zielführend, wenn man das so sagen möchte.

Gerade in einer demokratisierten Gesellschaft, wie der unseren, ist Meinung und besonders die Freiheit, jedwede Meinung zu haben und zu vertreten, ein zentrales Gut. Im Yoga ist das nicht so. Auf dem geistigen Weg ist das nicht hilfreich. Wenn du viele Informationen unter der Regie des Egos gesammelt hast, dir dein eigenes Yoga-Potpourri zusammen gestellt hast über die Jahre, dann hast du dir über alles mögliche eine Meinung gebildet… die dich verschließt vor einer Entwicklung in eine Freiheit, die sich das Ego einfach nicht vorstellen kann, so wie sich eine Schnecke kaum einen 100-Meter-Olympiasieger vorstellen kann. Zumindest nicht in irgendeiner Form, die der Wirklichkeit entspricht.

Im Yoga ist der Überblick einfach nur eine Befriedigung des Egos, das gerne das Terrain, auf dem es „agiert“, einschätzen möchte, damit es zu keinen Überraschungen kommt und es sich keine Blöße gibt. Immer mehr, mit immer mehr Information, erfährt das Ego eine Art Trittsicherheit auf dem Weg. Aber das ist sicher keine Möglichkeit, Yoga zu erleben. 

Sich immer wieder frisch auszusetzen, sich öffnen zu können für Unterweisung, die einem nicht passt oder gefällt, ist für das Ego ein großes Problem. Aber für Menschen auf dem Yogaweg dringend notwendig, um die yogische Verheißung vollkommenen Glücks und vollkommener Freiheit erleben zu können.

Was die meisten Menschen als „Selbstbestimmung“ verstehen, ist in erster Linie eine Kapitulation vor den eigenen Prägungen, die unser „Selbst“ so umfassend bestimmen. Den Lehren EINES Meisters (einer Meisterin, schreib ich meist nicht extra dazu, weil das für mich sowieso klar ist, dass Meister oder Meisterin ein und das selbe sind) zu folgen, und auch allen Kehrtwendungen und Haarnadelkurven ihrer Lehren (damit das Ego nicht das Gefühl bekommen kann, die Sache wieder im Griff zu haben), das eröffnet uns die Erfahrung von Yoga.

Alles andere führt nur zu einer Art Informationsinvalidität, die uns zunehmend unfähig macht, zu HÖREN und zuzuhören. Wenn ich mich also hingebe, heißt das nicht Kontrollverlust? Naja, im alltäglichen Leben sicherlich nicht, und das wäre auch wiederum ein Missverständnis, wenn man das glauben würde. Der Guru nimmt seinen Schülern nicht, oder zumindest nur sehr selten, Entscheidungen ab, die ihr Leben betreffen. Aber, wie mein Meister einmal schrieb, man kann zwar die Schriften und alten Texte uminterpretieren, umübersetzen, verändern, aber „der Guru verändert DICH!“

Sich auf diese Veränderung einzulassen, erfordert …. Information. Daher kommt dieses „Ich tue, was du mir sagst!“ auch am Ende der Bhagavad Gita.

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Brückenkopf-Syndrome

Jetzt ist wieder einmal die Zeit, in der viele Menschen anderen, die ihnen nahe stehen, etwas schenken wollen. Was für ein wundervoller Wunsch. Schon für den allein könnte man sich in die Menschheit verlieben! Wir stehen einfach auf Schenken, und die meisten von uns sogar mehr, als auf das Beschenktwerden.

Ich bin mir sicher, dass auch viele LeserInnen dieses Blogs sich jetzt denken: Das wäre doch eigentlich eine gute Gelegenheit, meinen Lieben meinen Weg vorzustellen. Natürlich ist mir klar, dass das viele schon vor langer Zeit versucht haben, nur um es wieder aufzugeben. Zu weit war die Kluft, die es zu überbrücken gab. Und vielleicht war auch nicht so klar, dass man dieses Brückenkopf-Dasein erlernen muss, und dass der Lernprozess dafür nicht der Gleiche ist, der uns auf unserem Weg weiterschreiten lässt.

Wer das einmal verstanden hat, und leider verstehen das viele erst viel zu spät, der überlegt sich vielleicht, ob es nicht auch ein Buch täte, eine CD, ein Film – kurz, irgendetwas oder jemand, der Bescheid weiß und alles erklären kann. Das hat den Vorteil, dass die Beschenkten nicht Stellung für oder gegen dich beziehen müssen, sondern nur für oder gegen den Inhalt des Buches, etc.

Wie kann man diese Kluft überbrücken? Jemand, der ganz im Egoleben verfangen ist – nochmals: DAS ist vollkommen normal – wie kann so jemand je wirklich Yoga, der einen Meister so sehr benötigt, wie wir Luft zum Atmen, nahe bringen, wenn doch der Meister immer das Ende der falschen Vorherrschaft des eigenen Egos einläutet? Natürlich betont eine egozentrierte Kultur die Unabhängigkeit des Menschen. Der Blog, der zu meinem Blog geführt hat, löst mit seinen Blogregeln schon erstaunliche Kommentare aus, so dass der Betreiber löschend bei den Kommentaren eingriff.

Unabhängigkeit ist DAS kulturelle Gut, das viele Menschen mit Klauen und Zähnen verteidigen, obwohl unser Leben ein dichtes Geflecht von Verbindungen und Bindungen, zu denen jede und jeder selbstverständlich verpflichtet wird, darstellt. Und das sind nur die äußeren Gefangenschaften, die ja erst so richtig aktiviert werden, durch zwangsläufige Denk- und Fühlmechanismen, Prägungen oder mentale Konditionierung in der Yogaliteratur genannt.

Und da kommt man dann mit Gurus und Meistern und „ich tue, was du mir sagst“ (der letzte Vers der Bhagavad Gita). Wie soll das gehen? Naja, vielleicht nicht mit der Tür ins Haus fallen, meinst du. Vielleicht zuerst einmal Meditation, Hatha Yoga Übungen, dann vielleicht Mantrasingen, weil es irgendwie an Schulchor und Stadiengesänge erinnert, also nicht so fremd ist, und dann, ganz am Ende, kann man ja vielleicht eine Diskussion über Meister, etc. führen.

Ich habe das schon auf sehr viele Arten versucht. Und viele Menschen haben versucht, mir weis zu machen, dass man zum Beispiel über das „yogische“ Bodenturnen mit der Zeit das Interesse an der „geistigen Dimension“ von Yoga in anderen wecken kann. Wie bitte soll denn das gehen? Wenn du dich mit Hefekuchen befasst, bekommst du dann Interesse, eine Autowerkstatt zu eröffnen? Hey, hey, magst du jetzt denken, so ein Vergleich ist doch absurd! Nein, ist er nicht, denn Bodenturnen und Yoga sind so weit auseinander. Wenn du Sonnenblumen pflanzt, dann ist es einfach Unsinn, darauf zu hoffen, dass mehr Menschen sich für deinen Glauben interessieren.

Yoga führt zu Trennung der Identifikation mit dem Ego. Wenn jemand da etwas anderen in den Schriften gelesen hat, würde mich diese Quelle interessieren. Ich spreche jetzt nicht von modernen, dem westlichen Lesern sich anbiedernden indischen Lehrern, sondern von den Texten der Tradition, die auch neueren Datums sein können. Nur halt nicht dem unglücklichen Vermischungswahn nachgegeben haben.

Diese Trennung der Identifikation kann nur der Meister durchführen. Wer meinen Blog jetzt schon ein wenig lesend verfolgt hat, der weiß schon, dass ich damit nicht die physisch-persönliche Seite eines Menschen meine, zu dem man diese Meister-Schüler-Beziehung aufbaut. Ich spreche hier von dem verkörperten Meister, der in unserer Zeit wirkt und initiiert und dann seine SchülerInnen von innen her stützen und unterstützen kann. Dafür ist eine persönliche Begegnung NICHT von Nöten, wie viele von euch wissen. Aber die Haltung eines Schülers ist wohl wesentlich für diesen Prozess, im Laufe dessen ich kapiere, dass ich ein Ego HABE und es nicht BIN, und wie sehr diese Funktion meines Geistes die Aspekte meines Lebens bestimmt. Diese Schülerhaltung, die ist es, die so vielen Menschen hier nicht nur schwer fällt, sondern zu so vehementen Reaktionen führt.

In meinem Buch habe ich versucht, das zu klären. Und ganz einfach kann man sagen, dass die Idee der Unabhängigkeit eine totale Fata Morgana ist, ein Hirngespinst  das schon eher schlicht und einfältig ist. Diese Identifikation selbst auflösen zu wollen, ist wie der Versuch, sich an den Ohren aus dem Sumpf zu ziehen, in dem man zu versinken droht. Die selbstlose, völlig bedingungslose Hilfe und Liebe des Gurus abzulehnen, ist nur ein Spiegelbild dafür, wie sehr man sich selbst misstraut.

Ich selbst hatte nie das Gefühl, wirklich verführbar von außen zu sein, nicht mit 15, und auch mit 25 nicht.

Wer gerne wissen möchte, wie man die Bedeutung des Meisters erklären kann, ohne dass es NUR Widerstände gibt, der solle sich einfach überlegen, wie wir gehen, reden, schreiben, denken, etc. gelernt haben. Ohne Lehrer, von denen wir ganz und gar abhängig waren, wäre das nie gegangen. Und unser System mag es gar nicht, wenn Erstklässler sich in der Schule weigern, sich unterrichten zu lassen oder die Methoden, wie man das ABC vermittelt, anzweifeln.

Wir erlauben niemanden, Autofahren mit der Lerning-by-doing Methode zu lernen. Auch ein Mediziner darf nicht probieren, wie eine Operation wohl am besten durchzuführen wäre, und sich so am Patienten selbst seine grundlegenden Infos holen (oder vielleicht doch? :)). Wir werden von Menschen ausgebildet, von denen wir während der Ausbildung abhängig sind. Daher hat unsere Kultur zum Teil sehr strenge Regeln für die Menschen verfasst, denen wir erlauben, zu lehren.

Und dann, auf dem spirituellen Weg, von dem wir auch bei tieferem Einstig nur langsam eine Ahnung erwerben, oder, was noch schlimmer ist, nur MEINEN, etwas zu verstehen, diese Nebelwanderung durchs Moor unserer Missverständnisse, die gehen wir voller Überzeugung und Entschlossenheit ohne Führung an.

Das ist schon etwas Erstaunliches an uns Menschen, wie ich finde: Unter der Obhut des Egos sind wir schon zu enormen Selbstüberschätzungen in der Lage.

Wenn du also wieder einmal als Brückenkopf fungierst, dann benütze deinen gesunden Menschenverstand in deiner Argumentation, schärfe dein eigenes Verständnis, damit es auch alltagstauglich ist, und bringe deinen Weg auf den Boden, ohne Yoga-Amerikanismen (Chanten für Mantrasingen zum Beispiel) oder  indische Worte, die du nicht wirklich klar erklären kannst, Esogesäusel und Scheinheiligkeit. Dieser Weg ist klar, stark und gut nachvollziehbar. Wenn du einen gesunden Menschenverstand hast, dann sollte Yoga gut verständlich sein.

Wenn du Unterstützung brauchst, melde dich :).

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„Wahres Wissen liegt jenseits der Worte“ – ja?

So habe ich das vor kurzem gehört. Das hat mir zu denken gegeben, sozusagen.

In diesem Blog war die Sprachproblematik ja schon öfter Thema. Diesmal geht es mir aber nicht um das tatsächliche Sprachproblem, sondern um etwas weniger Theoretisches.

Wenn das „wahre Wissen“ also jenseits der Worte liegt und alle Erklärungsversuche eben nur Versuche bleiben, dann ist Schweigen wirklich gold und Reden silber. Moment, nicht so schnell.

Sehr oft wurde mein Meister auch daraufhin angesprochen. Er erzählte uns auch oft, dass es Heilige in Indien gab, die nicht lehrten, nicht sprachen. Und doch auch so die Wahrheit offenbaren konnten. Wenn ich ihn so reden hörte, dachte ich mir immer „Gott sei dank spricht er!“, mein Verstand würde sich sicher sein eigenen Süppchen aus seinem Schweigen kochen, etwas, was vielleicht mit ein paar Worten entlarvt werden könnte.

Die Frage ist nämlich, wie Graf Dürckheim das in seinem Büchlein „Ton der Stille“ zu sagen pflegt, ob wir als Instrument gut genug gestimmt sind, um diesen Ton der Stille zu hören, der „ewigen Ton“. So wie ein Instrument immer wieder gestimmt werden muss, mit äußeren Eingriffen, Stimmschlüssel, etc., damit es seinen herrlichen Ton entfalten kann, so ist dieser Stimmprozess auch auf dem spirituellen Weg immer wieder von Nöten.

Was also lässt uns diesen im Titel erwähnten Satz sagen? Ich bin jetzt einmal sehr direkt: NUR unser Ego, das seine Interpretationshohheit über unser Leben und alles, was damit zu tun hat, behalten möchte. Wer sich öffnen kann, wessen Ego mit der Zeit ins zweite Glied zurückgegangen ist, der hörte diese Worte AUCH als Wasserfall der inneren Kraft. Ich habe das zum ersten Mal erlebt, als ich eine der sogenannten Kleineren („minor“) Upanishads gelesen habe, wo ich seitenweise Sätze wie „ich bin alldurchdringend“, „ich bin das Leuchten des Lichts“ etc. gelesen habe. Anfangs empfand ich das eher wie eine sich ständig wiederholende Wortkaskade, aber dann, mit jeder Zeit, fühlte ich in mir diese Ahnung aufsteigen, „ja, das bin ICH“, und so wurden aus den Wortkaskaden Wogen der Wonne.

Das ist ein mantrischer Prozess. Auch wenn der Strom nicht die Kupferleitung ist, in der er fließt, auch wenn er existieren kann, ohne die Leitung, und die Kupferleitung ohne Strom ist, wenn der abgeschaltet wird, so bringt uns die Leitung doch den Strom und ohne sie kommen wir sozusagen nicht an ihn heran. Worte sind Träger, von Information, die auch wichtig ist auf dem Yogaweg, aber auch von vielen anderen Dingen. Die Worte meines Meisters waren für mich anfangs wie ununterbrochene Meditationsschübe, was ich damals noch nicht so verstand. Ich fühlte mich nach einer Seite immer schläfrig, es „zog“ mich nach innen, ich wollte nur noch die Augen schließen und meditieren. Seine Worte waren für mich derart aufgeladen, dass ich ihren Inhalt oft gar nicht so mitbekam.

Das kam erst mit der Zeit.

Der Satz, „Wahres Wissen liegt jenseits der Worte“ darf nicht dazu benutzt werden, um sich die Ohren für das Prägungsgeflüster deines Egos frei zu halten. Es ist nur das Ego, dass nichts mehr hören will, muss, sollte, oder wie es auch immer dich dazu überreden möchte, wieder in seiner Endlosschleife deine Bahnen zu ziehen. Nur das Ego will dir verführen, keine Worte mehr aufnehmen zu können. „Ich hab schon genug gehört“, „das weiß ich schon“. All das mag ja auf normale Informationen zutreffen, wie zum Beispiel, wo ein Geschäft liegt oder das Rathaus ist.

Aber auf dem geistigen Weg ist diese Haltung immer, und ich möchte das betonen, IMMER ein Zeichen, dass es der Alleinherrschaft deines Egos an den Kragen geht. Es wehrt sich mit solchen (nur scheinbar) weisen Sätzen wie sie im Titel dieses Artikels stehen. Es igelt sich ein und fährt seine Stachel aus. Manchmal stelle ich mir die Meister vor, wie sie vor diesen Igelkugeln sitzen und mit allen Mitteln versuchen, den Egomuskel, der die Kugel formt und die Stacheln spreizt, zum Loslassen zu bewegen.

Ihre Seligkeit muss schon sehr tief und handfest sein, dass sie da nicht ihren Wortfluss beenden. Meine tiefe Dankbarkeit gilt ihrer, zumindest von mir so empfundenen, Unerschütterlichkeit im Äußern von Worten.

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Die Linie, die kleiner wird.

Menschen erleben das Auf und Ab des Alltags als Probleme, Herausforderungen, Niederlagen und Siege.

Manche versuchen, möglichst keine Niederlagen zu erleben, und tun alles, um immer oben auf zu schwimmen. Ich behaupte einmal, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich dieser Lebensansatz als nicht durchführbar offenbart. Schlauer sind schon die, die aus ihren Niederlagen lernen wollen, damit sie doch dazu kommen, nur noch zu „siegen“. Man merzt leidvolle vermeintliche Fehlverhalten aus, versucht sie nicht mehr zu wiederholen.

Spirituelle Menschen versuchen den Problemen (meist ist ja das Wort „Herausforderungen“ schon eine Methode, um das Ganze nicht so schlimm wirken zu lassen :)) einfach nicht zu beachten. Das geht mehr oder weniger gut, wohl prinzipiell eher weniger. Das hat seinen Grund. Wenn meine Probleme so präsent für mich sind und mich so sehr beschäftigen, dass ich spirituelle „Methoden“ anwende, um ihnen zu entgehen, dann bin ich ja auf der Ebene der Probleme und daher kann ich ihnen nicht wirklich gleichgültig gegenüber sein.

Wiederum liegt im Yoga die Lösung ganz wo anders. Es ist die Geschichte des Meisters Ram Tirth, der ein Mathematikprofessor um die vor letzte Jahrhundertwende in Indien war, die das präzise erklärt. Meine Meisterin hat diese Geschichte einmal in einem Vortrag erzählt. Er zeichnete mit der Kreide eine Linie auf die Tafel und trug seinen Schülern auf, diese Linie zu verkürzen…. ohne sie zu berühren. Für die Schüler eine unlösbare Aufgabe. Sie versuchten mit allen Tricks die Linie zu bearbeiten, nur um immer wieder von Ram Tirth auf die Aufgabenstellung hingewiesen zu werden: die Linie darf nicht berührt werden.

Die meisten Menschen bearbeiten die Linie, mit allen Tricks und Mitteln. Des Rätsels Lösung war einfach. Ram Tirth nahm die Kreide nochmals in die Hand und zeichnete eine längere Linie unter die Erste. Damit war diese kürzer.

Wenn wir uns von dem Auf und Ab nicht all zu sehr verunsichern lassen, es hinnehmen, ohne gleichgültig oder pessimistisch zu sein, und unsere Praxis weiterführen, (Mantra mit dem Atem verbinden und möglichst oft wiederholen, meditieren und bei Abschweifungen in der Meditation KOMMENTARLOS,während und nach der Meditation, wieder zum Atem und zum Mantras zurückzukehren, unser Verständnis ausweiten), dann wird durch den Segen der inneren Kraft von selbst die größere Linie sichtbar.

Man kann, das ist meine Erfahrung und das Ergebnis meines Studiums, das Leben nicht in den Griff kriegen, auf Dauer, und ganz sicher nicht bewältigen, in dem man an ihm „rummacht“. Aber wenn ICH mit der Zeit „auftauche“, dann ist das Leben, mit seinem auf und ab und seinen Gezeiten sogar mehr und mehr unterhaltsam. 🙂

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Liebe und andere schnuckelige Themen….

Wenn wir die Chance bekämen, ganz und gar zu lieben, ohne dass dieses Erlebnis mit der Zeit verblassen würde, dann bräuchte es keinen Yogaweg, keine Religionen, keine Psychologie welcher Ausprägung auch immer.

Viele von uns wissen das, aber irgendwann ahnen das wohl alle Menschen. Liebe wäre genug. Mit der Liebe käme das Mitgefühl, die Zufriedenheit, das Glücklichsein, die Weisheit. Ohne Liebe gibt es diese anderen Zustände gar nicht.

Die Liebe sähe nicht auf Unterschiede, auch wenn sie sie nicht ausblenden müsste, sie wäre nicht instrumentalisierbar und nicht börsennotierbar. Wir hätten keine guten und schlechten Tage mehr, jedenfalls nicht in der Tiefe.

Liebe würde unseren Ehrgeiz gründlich abstellen. Was würde Liebe schon erreichen wollen? Wir würden die ganzen Umwege, um Liebe zu erfahren, nicht mehr brauchen. Wir hätten vollständige Handlungsfreiheit, weil wir spüren würden, was es zu jeden Augenblick und jeder Situation brauchen würde. Stell dir das vor, wir hätten keine inneren Konflikte mehr, denn die Liebe würde alles klären, alles eindeutig machen.

Wir würden handeln der Liebe willen, aber nicht, um sie zu erlangen, zu erfahren, festzuhalten, sondern weil sie allein unsere Antriebskraft wäre.

Manche sagen, das ist doch alles Unsinn, Liebe hat keine Eigenschaften, und keine Worte könnten ihr je gerecht werden. Und doch ist sie Thema Nummer eins für uns Menschen. Ein Meister in Indien schrieb einmal, dass es genügen würde, zu lieben. Christliche Mystiker proklamierten, dass die Liebe allen Dingen Wert gibt, oder: Liebe, und dann tue, was du willst.

Einmal sagte mir jemand, dass sie das Wort „Liebe“ kaum mehr gebrauche, dass ja das Meiste, was bei uns unter „Liebe“ liefe, nichts damit zu tun hat. Das würde sie eher „tiefe Verbindung“ nennen. Das kann ich nachvollziehen, aber der Liebe sind doch Begrenzungen, die wir ihr auferlegen oder Missverständnisse, mit der wir sie überziehen, gleich.

Um Liebe zu erleben, liebe zu erlangen, sich ganz der Liebe hingeben zu können, dafür lohnt es sich, Yoga über lange zeit zu praktizieren und sich dem yogischen Erkenntnisprozess auszusetzen. Mein Meister sagte, dass in uns nie Zufriedenheit entstehen könnte, solange wir unsere Seele nicht lieben.

Also, ob all der Worte bitte nicht vergessen, dass jedes Wort auf dem Yogaweg nur eine Umschreibung von Liebe ist. Alles andere ist wirklich Zeitverschwendung und ohne nachhaltige Wirkung.

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„Die Yogische Entwicklung ist ein erstaunliches Wunder“ – Shiva Sutras, 1; 12

Mit diesem Blog wollte ich auch Yoginis und Yogis darin unterstützen, Erfahrungen, die während der Meditation, aber auch sonst im Leben auftreten, zu verstehen und so zu integrieren, dass sie kein Hindernis auf dem Weg werden.

Wie oben zitiert, sind die verschiedenen yogischen Erlebnisse erstaunlich, kaum fassbar und ein wahres Wunder. Mein Meister hat in seinem Buch „Spiel des Bewusstseins“ viele Erlebnisse, die er selbst hatte, beschrieben. Aber das sind bei weiten noch nicht alle. Auch ist manches in der westlichen Begriffswelt anders gelagert, „Gnade“ zum Beispiel hat bei uns eine ganz andere Bedeutung.

Der Vorgang der Läuterung ist eine durchgängige Erfahrung, mit der alle Yogis zu tun haben, wenn sie WIRKLICH Yogis und nicht nur atemübenden Bodenturner sind. Denn erst eine durch den Meister eingeleitete Kundalini-Erweckung und -Ausdehnung macht Yoga im ursprünglichen Sinne möglich. Aber dann beginnt ein Prozess, von dem wir hier in unserer Kultur keinerlei Ahnung haben.

Angst, unqualifizierte Warnungen und ein Sammelsurium von skurrilen Kundalini-Erweckern trägt zu Verwirrung bei denen bei, die vielleicht durch eine Beziehung zu einem Yoga/einer Yogini diesen erstaunlichen Vorgang der Läuterung miterleben. Wenig Menschen gibt es hier im Westen, die diesen Vorgang verstehen und sprachlich nachvollziehbar auslegen können.

Und glaubt nicht, dass sich das schon selbst erklären wird, weil es sich um einen ganz natürlichen Vorgang handelt. Die Kundalini arbeite bei vielen lange Zeit an der Nahtstelle zwischen dem grobstofflichen, physischen Körper und seiner Software, dem feinstofflichen Körper. Das hat konkrete Auswirkungen auf unseren Alltag.

Diese Vorgänge nicht zu verstehen, wird bei den meisten eher negative Reaktionen auslösen. Sie zu verstehen bedeutet, dass deine Psyche voll mitarbeiten kann.

Zum Beispiel kann man eine Phase erleben, wo man in der Meditation und sogar auch im Alltag sehr geräuschempfindlich wird. Wenn du weißt, dass das von der Kundalini ausgelöst wird, und daher auch, dass es wieder vorbei geht, dann kannst du das ertragen, ohne eine Belastung für deine Umwelt zu werden. Manchmal kann es „knallen“ in der Meditation. Wenn du nicht weißt, was das ist, oder auch nicht, dass das eine dir entsprechende Ausprägung einer klassischen Erfahrung von „nada“, dem inneren Klang, ist, machst du dir vielleicht grundlos große Sorgen und hörst auf zu meditieren, vielleicht sogar auf Rat eines Arztes oder Psychologen, die meisten keinerlei Ahnung von diesen inneren Vorgängen haben und so auch keine guten Ratgeber für diesen Prozess sein können.

Der Blog hier könnte auch ein Feld sein, auf den wir uns zum Austausch treffen können.

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Ego

Wer einmal begriffen hat, was das Ego ist und welche Funktionen es hat und haben kann, der versteht, dass unsere Welt, unsere Kultur insbesondere ganz und gar unter dem Einfluss des Ego steht.

Im Yoga ist Ego die „Abteilung“ der Psyche, die für Beziehung verantwortlich ist. Unentbehrlich, wenn man sich mit einem Körper in dieser Welt bewegen will. Ego oder, wie die Yogatexte das nennen, der Ich-Macher weiß, dass ein Auto, das mit großer Geschwindigkeit auf deinen Körper zurast, auf DEINEN Körper zurast. Es ist verantwortlich dafür, dass du deine Wohnung findest, dass du eine Familie hast, dass du Verantwortung tragen kannst, dass du dich zu Wort melden kannst, etc., etc.

Das Ego ist also eine sehr nützliche Funktion, die wir HABEN. In einer Kultur, in der der Meister als Institution fehlt, ist dieser Ich-Macher zum ICH aufgestiegen. Die sehr nützliche Funktion hat sich von seiner dienenden Rolle verabschiedet und wird zum ICH, weil ich vergessen habe, wer ich bin, und mich dann mit ETWAS identifiziere, was mich auszumachen scheint: die Kombination aus meiner Persönlichkeit/meinem Charakter, meiner Denke, meiner Art, emotional zu sein und meinen Handlungen.

Wenn man bei uns Menschen fragen würde, dann würden sie sich so beschreiben: mit ihrem Tun, ihrem Denken (besonders wenn ihr Denken sehr geschult ist), ihrem Fühlen. Die Meisten würden sogar ihre Persönlichkeit mit dieser Dreieinigkeit beschreiben.

ABER, durch die Abschaffung des spirituellen Meisters gibt es keine Institution mehr, die uns uns jenseits der Funktionen des Ego zeigen kann. Nochmals, ich spreche von der Institution, nicht von der Person des Meisters, wenn auch die beiden tatsächlich eins sind. Der Meister stuft das Ego vom Herrscher wieder zum Diener zurück. Wobei diese Zurückstufung das Beste ist, was dem Ego und uns, als seinem Besitzer, passieren kann.

Wäre das Ego personifiziert, würde es den Meister mit allen Mitteln bekämpfen. Und das tut es auch. Vielleicht kann man das mit Homöostase begründen, mit Angst vor dem „Machtvakuum“, mit der Angst vor Veränderung (alles allerdings nur Ego-Befürchtungen!).

So viele Ego-Identifizierten erkennen, dass ihr Leben so, wie sie es führen, nicht wirklich funktioniert. Sie wenden sich, in alter Ahnung der Spiritualität zu. Hoffen, dort Erleichterung zu finden. Aber echte geistige Entwicklung ist nur möglich, wenn diese Zurückstufung des Ego passiert, die nur jemand vollführen kann, der das bereits hinter sich hat, ist eigentlich schon klar, oder?

Daher haben sich im WESTEN viele geistige „Wege“ entwickelt, die hoffen, ohne Meister auszukommen. Das ist selbstverständlich nachvollziehbar, aber genau da beißt sich die Katze halt in den Schwanz. Die Erleichterung, die wir suchen, finden wir nur, wenn wir die Identifikation mit unserem Ego aufgeben. Aber da wir uns als das Ego verstehen, auch als Ego auf den geistigen Weg machen, die Identifikation mit dem Ego also vollständig ist, braucht es das, was Yogis „Gnade“ bezeichnen: das ist wie ein Bruch, real im Leben oder vielleicht auch nur „energetisch“.

Die Hinwendung zu einem Meister ist unmöglich für die, deren Ego die Zügel GANZ in der Hand hält, obwohl sie den Meister so dringend bräuchten. Das Ego, das in seinem Machtanspruch gefährdet wird, benimmt sich wie ein fallender Tyrann (siehe Ghaddafi und Libyen ), es ist sogar bereit alles inklusive seiner selbst zu vernichten. Was für eine armselige Vorstellung, welch ein Unglück.

Menschen, denen dieser „Gnadensbruch“ auf dem geistigen Weg nicht widerfährt, haben keine, ich wiederhole, KEINE Möglichkeit, die Quelle des Leids, die sie auf den Weg gebracht hat, zum Versiegen zu bringen. Sie werden vielleicht besonders spirituell aussehen, sich sehr feinfühlig, achtsam, etc. geben, sie werden sich Wegen etc. verschreiben, wo die Meister-Schüler-Geschichte entweder nicht existiert oder so unklar ist, dass keine „Gefahr“ besteht, sie werden große Reden über Freiheit, Individualität, über Gott, auch über Gnade etc. halten. Sie werden keinen Frieden finden, nur kurzfristig Erleichterung vielleicht, nicht ganz, aber ein wenig. Und wenn der Weg durch glückliche Umstände vielleicht doch ihr Ego herausfordert, werden sie enttäuscht, böse, abschätzig, etc. den Weg ganz schnell wieder verlassen.

Yogis sind auch von ihrem Ego betroffen, denn, das ist meine Erfahrung, so schnell geht die Lösung der Identifizierung mit dem Ego nicht. Yogis verlieren auch ihr Ego nicht, aber das Ego wird mit der Zeit seine dienende, großartige Rolle einnehmen. Yogis, die so tun als wären sie welche, kommen „natürlich“ ohne Meister aus. Was sollte der ihnen schon zeigen können, sie SIND ja Shiva, sie sind ja so auch schon vollkommen, etc. etc.

Wie oft schon habe ich das gehört! Ich bin keine Meistertyp, ich kann doch nicht nach Indien pilgern auf irgendeiner Meistersuche, hab doch Familie, ich habe schon viele Meister gehabt (mein „Lieblingssatz“!), oder der: „Gott ist mein Meister“ (genau, den kann sich dein Ego dann so zurechtschustern, dass es ungefährdet in seiner Unglücksrolle ist), dann gibt es die, die schon einmal einen Meister hatten, aber jetzt auch so weit sind, sie haben sich quasi emanzipiert, sind jetzt „aufgestiegen“, sozusagen.

Wenn du dich auch nur ein klein wenig mit der Tradition beschäftigt hast, dann wirst du entdecken, dass sich Schüler NIE emanzipieren. Warum auch? Nur das Ego hat dieses Thema.

Also, wer im Leben keinen Meister findet, sich keinen zulegt, sozusagen, der IST sein Ego. Das trifft für fast alle zu. Das hat weitreichende Folgen. Du kannst das in der Tagespolitik, in Beziehungen, in der Wissenschaft, in allen Lebensbereichen sehen. Unser ganzes Leben ist so ausgelegt, dass unsere Egos nicht in Alarmbereitschaft geraten. Was ist Beleidigung? Was ist eine „herausragende“ Leistung? Was ist das Gefühl, wirklich demütig und bescheiden zu sein? Alles geboren aus der Verherrlichung des Egos als „Ich“.

Unsere ganzen, auch kulturellen Verhaltensweisen sind geboren aus der großen Unsicherheit des Ego. Das wird natürlich nicht immer sichtbar, erfahrbar, tritt aber überdeutlich zu Tage, wenn das Ego sich in seiner Ich-Rolle gefährdet sieht. Lebensfeindschaften können entstehen, nur weil du, vielleicht sogar aus Achtlosigkeit, jemanden bloß gestellt hast. Oft genügt nur schon, dass du faktisch besser bist als jemand anderer und es entsteht diese Ego-Feindschaft.

Das Ego verlangt von allen, die unter seinem Joch arbeiten, einen Tanz auf rohen Eiern. Wer darüber weiß, kann damit umgehen, alle anderen werden von diesem Tanz gefangen genommen.

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„ich habe gesehen, was deine Zukunft bringt“

Tja, das ist nur mal ein Thema!

Wir Menschen LIEBEN diese Dinge: Da träumt einer irgendetwas von dir und „weiß“ dann, was auf dich zu kommt! Oder beim Meditieren bekommst du plötzlich eine Eingebung über einen anderen Menschen, und wenn diese „Eingebung“ nicht positiv ist, dann machst du dir Sorgen, machst dir Gedanken, wie du demjenigen oder derjenigen das wohl am sanftesten beibringen könntest.

Die Parkplatzsuche klappt schon länger mit mehr oder weniger rechtzeitigen „Anfragen nach oben, und du hörst und siehst immer mehr Dinge, die man mit den normalen Sinnen nicht hören oder sehen kann.

Unter den Yoga Übenden nennt man das „siddhis“ oder übernatürliche Kräfte. Wobei bei den meisten dieser Phänomene, die ich mitbekomme, der Begriff „siddhi“ wohl eher etwas zu hoch gegriffen ist und es sich viel mehr um Einbildung, etc. handelt.

Zuerst einmal finde ich die Frage interessant, warum das SO besonders ist, dass man innerlich diese Einsichten, etc. erhält und vor allem, warum man die immer gleich für bare Münze nimmt, wenn doch die Gurus so eindringlich davor warnen, das zu tun. Was nützen uns diese Dinge? Wieso finden so viele Menschen gerade DAS so verlockend? So ganz verstehe ich das nicht. Warum sind so viele davon überzeugt, dass sie „mitbekommen“, was in anderen, mit anderen passiert? Es wäre viel besser, wenn sie mehr von der Tiefe ihres eigenen Daseins erleben könnten.

Du hast eine Eingebung über jemand anderen in der Meditation? Wir Yogis nennen das „Abschweifen“, nicht Eingebung. Wenn du abschweifst, dann komm einfach wieder zum Mantra und zu deinem Atem zurück. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn dir dein Guru erscheint, und dir etwas sagt oder zeigt oder anderweitig zu verstehen gibt, in der Meditation, dann ist das ganz sicher bedenkenswert.

Mein Guru sagte uns oft, dass nichts, was zu geschehen hat, je ungeschehen gemacht werden kann, ganz gleich, wie schwer wir uns da abmühen. Und das, was nicht zu geschehen hat, so sagte er, kann man du keine Mühe der Welt bewirken. Wenn ich also über jemanden eine Eingebung habe, die nicht erhebt und glücklich macht, dann sollte ich sie eher für mich behalten.

Über das Auftauchen von „siddhis“ hat mein Meister manchmal gesprochen. Bei Menschen, deren innere Kraft erweckt wurde und aktiv ist, tauchen diese „siddhis“ ganz selbstverständlich auf. Das ist aber sicher kein Grund, zu meinen, man wäre jetzt in einer irgendwie besonderen inneren Stufe. Wenn du Vorahnungen hast, die eintreffen, dann wäre es besser für deine Entwicklung, wenn du sie ignorieren könntest und deinen Guru inständig darum bittest, dass das auf dich keine Anziehung entwickelt.

Für Yogis sind solche Erlebnisse bedeutungslos. Du musst sie nicht äußern, niemanden davon erzählen, und solltest dich auch nicht blind danach richten. Es wäre viel besser, du würdest deinen gesunden Menschenverstand einsetzen, bevor du solchen Eingebungen einfach folgst.

Ich würde es sogar als „Glück auf dem Weg“ bezeichnen, wenn dir diese „siddhis“ nicht auffallen und du das Gefühl hast, dass das bei dir gar nicht auftaucht. Ich habe schon zu viele Menschen gesehen, die diesen Dingen voll auf den Leim gegangen sind. Und wenn jemand „genau weiß“, wie du dich fühlst, oder du meinst, das bei anderen genau zu erkennen, dann hol einfach tief Luft, wiederhole dein Mantra und warte, bis der Anfall bei dir vorbei ist und gib auf das, was andere da „fühlen“, einfach nichts.

Es wäre viel, viel besser, allen anderen Segen zu wünschen, nur das Beste. Mein Guru nannte das einmal „Impending Doom experiences“, das Gefühl, dass jetzt gleich die Welt untergeht. Sei dir sicher, dass wenn du bei einem anderen Menschen viel Leid, Negativität und psychische Probleme spürst, du deine eigenen Geschichten einfach  nach außen projizierst.

Wenn du nämlich WIRKLICH den Anderen spüren würdest, ginge es dir so, wie das mein Meister oft beschrieb. Er sagte, dass er zuerst das blaue, ekstatische Licht des Bewusstseins sehen würde, bevor er irgendetwas anderes über einen Menschen wahrnimmt. Wenn du Shiva im Anderen sieht oder vielleicht nur erahnst, dann bist du auf einem guten Weg. Alles andere vergiss einfach. 🙂

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Ego, Kunst und Yoga

Ich kann mich an eine Geschichte erinnern, die meine Meisterin uns einmal erzählt hat. Gerade hatte wieder einmal einer der großen Instrumentalvirtuosen der klassischen indischen Musik bei uns im Ashram gespielt. Sie sagte uns, dass sie ganz hingerissen war. Mein/ihr Guru hatte ihr dabei zugesehen und sie gefragt, ob ihr die Vorführung gefallen habe. „Ja, sehr“, sagte sie. „Du denkst bestimmt manchmal daran, dass du das auch gerne können wolltest, stimmt’s?“ Sie nickte. Und dann, so erzählte sie uns, hätte er sich zu ihr gebeugt und ganz eindrücklich gesagt: „Aber das ist ALLES, was sie können. Wenn du weißt, dass du Shiva bist, wenn du dich ganz erkannt hast, dann kannst du alles!“

Ich hatte oft das Vergnügen, Kunst um meinen Guru herum zu erleben. Einmal, als ein berühmter Sarangispieler für ihn gespielt hatte, sang er vorher Shri Ram, Jay Ram, a cappella, ganz schlicht, mit seiner älter werdenden Stimme und sagte, dass DAS seine Musik wäre, die ihn berührt. Dann kam das umwerfende Konzert. Ich war so begeistert, dass ich mir alle CDs dieses Interpreten kaufte, nur um festzustellen, dass keine Aufnahme auch nur annähernd an seine Darbietung im Ashram herankam.

Kunst und Yoga, noch viele dieser Geschichte könnte ich erzählen. Manche Reaktionen meines Meisters auf Kunst – ich hatte ja Literatur, russische, indische und deutsche an der Uni studiert – schienen mir etwas schlicht (ich habe Scheu, das so zu schreiben, aber ich war, als ich das so sah, ziemlich neu), er schien etwas gegen abstrakte Kunst zu haben (ich dachte mir, naja, er hat halt eine starke Erd-Betonung in seinem Horoskop). Einmal malte ein berühmter moderner Maler ein, wie ich fand, wunderschönes drei-tafeliges großes Bild für ihn zu seinem Geburtstag. Das Gemälde wurde im kleinen Speisesaal des Ashrams aufgebaut, damit er es sehen konnte. Wir alle, die in der Küche arbeiteten, und nur wir bekamen es zu Gesicht, waren sehr beeindruckt. Als mein Meister dann kam, ging er zweimal vor dem Bild auf und ab, er sah es an und machte eine wegwischende Handbewegung mit den Worten, ihm gefiele es gar nicht.

Vielleicht war der Maler, der neben ihm stand, sehr stolz auf sein Werk, erwartete die Bewunderung meines Meisters. Das schien mir eine gute Begründung plus astrologische Überlegungen zu sein.

Aber heute kann ich das anders sehen. So oft war ich befreundet mit Menschen, die gerne Romane lasen, gefesselt waren von den Schilderungen menschlicher Herausforderungen und Schicksale. Bevor ich meinen Meister traf, war ich an möglichst ungewöhnlicher, abgefahrener Kunst interessiert. Albert Camus (der war damals, als ich 14 war, schon noch ziemlich abgefahren), Existenzialismus, ich las Philosophen, die möglichst ungewöhnliche Gedanken hatten – das beeindruckte mich. Ich wollte auch ungewöhnlich denken, fühlen, leben.

Aber dann kam der Wendepunkt in meinem Leben, ich war 20. Voller Ideen, voller Kunst, voller Melancholie. Von einem Augenblick zu anderen verschwand mit der Erweckung meiner inneren Kraft diese Melancholie, die bis dahin die Basis meines Gedichteschreibens war, die ich in meinem Gemälden ausdrückte. Sie war weg. Mein Guru hatte mir das bei unserer ersten Live-Begegnung genommen.

Ich hörte zuerst einmal auf, zu schreiben, es gab dieses inneren Drang nicht mehr. Mein Kunstgefühl und mein Kunstverständnis änderten sich. Ich studierte Germanistik, aber nach ein paar Jahren merkte ich, dass ich nur Egomeinungen über Egowerke studierte. Meinungen über Meinungen. Mit den Jahren verlor ich ganz das Interesse an dem, was man heute Kunst nennt, an der zur Schau gestellten menschlichen Dramatik, vielleicht brillant gemacht, aber eben doch in erster Linie Egobeweihräucherung.

Einmal kaufte ich mir vor einem Flug einen Band Kurzgeschichten eines Indianers, der eine interessante Vita hatte, aber schon in der Mitte der ersten Geschichte hatte ich genug. Ich dachte damals daran, dass mein Guru immer gesagt hatte, dass es Kunst gibt, die von Menschen gemacht wird, die ganz identifiziert sind mit ihrem Ego und dass es rein inspirierte Kunst gibt, in der das Ego mit all seinen Gehilfen keinen Platz fand. Er sagte, das wäre die einzige Kunst, die es wert wäre, sich mit ihr zu beschäftigen.

Heute ist meine ehemals große Bücherei, ich hatte bis 18 über 1000 Bücher gelesen, auf ganz wenige geschrumpft. Ich bin sehr vorsichtig, welche Kunst ich um mich habe. Wenn ich Jnaneshwar lese oder Utpaladeva oder Shankaracharya, dann ist das für mich Kunst auf höchster Ebene. Dagegen hat für mich jemand wie Tschaikowsky nur seine Neurosen an seinen Zuhörern ausgelebt, hat mit seiner großen Fertigkeit seine Verlorenheit in seiner emotionalen Ungehaltenheit verewigt. Ich merkte, als ich vor ein paar Jahren zu einem Konzert eingeladen war, dass ich das nicht mehr hören wollte, seine Musik, die ich einst so liebt, langweilte mich. Der Ausdruck persönlicher Psychoprobleme – das hat in unserer Kultur ungefähr bei Beethoven so richtig angefangen – hat für mich ganz seine Schönheit verloren.

Vielleicht gibt es ja wieder einmal Kunst, die sich nicht nur dem selbstverliebten Einmaligkeitswahn hingibt. Einmal war ich eingeladen auf einer Vernissage in New York, der Künstler war selbst anwesend, und die Medien etc. etc. Er lief überall rum und erklärte allen, dass er ja sehr schwer psychotisch wäre, ständig an Selbstmord dachte und dass sich das halt auch in seinen Bildern ausdrückte, die aus Strichmännchen mit gestrichelten Blutspritzern bestanden. Es war eine sehr ernste, fast depressiv-gedrückte Stimmung in den Räumen. Ich konnte mir das Lachen fast nicht verkneifen. Der hatte nicht einmal die Fertigkeiten, die Tschaikowsky und Schubert wenigstens noch hatten.

Ich kann mir nicht gut vorstellen, wie man ernsthaft den Yogaweg gehen kann und auf Dauer an der westlichen Art von der Selbstdarstellungskunst interessiert sein kann. Wenn du also bei dir beobachtest, dass du da das Interesse verlierst, dass rauschende Woizek-Inszenierungen für dich nicht mehr so recht der Knüller sind, weil dir das emotionale Gestammel wirklich nicht mehr die Gänsehaut gibt, dann sei beruhigt. Ich persönlich halte das für ein gutes Zeichen.

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„Was soll nur aus mir werden?“ – Teil 2

Am besten nichts, lehren viele Geschichten im Yoga. Das Ego protestiert? Genau deshalb! 🙂

Ich hatte damit ein Problem am Anfang. Wisst ihr, Aufmerksamkeit ist nicht so sehr etwas, was dir gegeben wird, sondern was du empfangen können musst. Ich hatte damals oft das Gefühl, dass mein Meister mich nicht beachtete. Wie oft war ich gekommen und er hat mich gefragt, wie ich heiße und woher ich komme, wie oft wurde ich ihm vorgestellt, als wäre ich noch nie da gewesen! („Wer ist das?“, so oft hörte ich diese Frage von ihm an seine Übersetzerin).

Dann geschah etwas, was meine Meinung darüber grundsätzlich änderte. Ich hatte Geburtstag, und damals konnte man den mit ihm feiern. Es gab ein paar eigenartige Vorbedingungen – die Geburtstagsfeier fand um 6 Uhr morgens in seinem Schlafzimmer statt, und man hatte 15 oder so Croissants mitzubringen, aus der Bäckerei, die eigens dafür gefertigt wurden. Später fand ich heraus, dass das offensichtlich ein Leckerbissen für seine beiden Rottweiler Hunde war.

Als der Tag dann kam, war ich natürlich ziemlich aufgeregt, denn so nah und so privat traf man ihn normalerweise nicht. Also, gab ich meine Croissants an der Eingangstüre in seine Wohnung ab, dann wurde ich in sein Schlafzimmer geführt, wo auf dem Bett zwei wunderschöne, handgemachte Skimützen lagen, die er des öfteren zu Programmen trug oder wenn er draußen unterwegs war. Zwei deshalb, weil es einen Manager im Ashram gab, der am gleichen Tag Geburtstag hatte wie ich. Mein Guru kam ins Zimmer, setzte sich aufs Bett, seine beiden GROSSEN Hunde mit ihm :).

Dann fing er an, mit seinem Manager zu sprechen. Vielleicht sollte ich noch anmerken, dass das alles nicht privat im bekannten Sinne war. Seine Übersetzerin, die heute meine Meisterin ist, mein Guru, dieser Manager, ich und die Hunde waren gemeinsam im Raum. Aus dem von Seiten meines Gurus mit großer Zuneigung und Intensität geführten Gesprächs konnte ich entnehmen, dass dieser Mann am gleichen Tag noch nach Europa zurückkehrte, um einen Monat lang eine Art Urlaub mit seiner Familie zu machen. Mein Guru bat ihn mehrmals, ja wieder rechtzeitig nach Indien zu kommen, denn man bräuchte ihn schon sehr hier.

Ich war schon überrascht von diesen Worten meines Gurus. Der Manager beruhigte ihn quasi und versprach, rechtzeitig wieder da zu sein. Mein Guru sagte noch einmal: Versprochen? Dann ging der Manager wieder und ich war mit ihm und seiner Übersetzerin plus Hunden alleine. Er fing sofort an, mich über den Einfluss eines gewissen Gurus in Deutschland zu fragen und gab einige Prognosen für die weitere Entwicklung dieser Tradition weltweit ab. Ich fand das schon fast eigenartig, aber es war mein Guru und ich hatte nicht den Anspruch an mich, das alles genau einordnen zu können. Zu mir selbst sagte er wenig. Er gab mir die übrige zweite Mütze, dunkelviolett, viel schlichter als die große, flauschige, die der Manager erhalten hatte.

Dann schickte er mich weg. Ich war voller Freude, die meine leichten Minderwertigkeitsgefühle überstrahlte (ihm war es scheinbar unwichtig, wer ich war, ob ich wieder kommen würde, denn auch ich musste am nächsten Tag wieder nach Deutschland fahren).

Dieser Mann ist nie wieder gekommen. Er war ganz ausgestiegen, hatte alle Verbindung zu dieser meiner Tradition aufgelöst, das war sein letzter Kontakt. Für mich war das damals schockierend. Und ich erkannte für mich, dass diese gesteigerte Aufmerksamkeit des Meisters nicht unbedingt ein gutes Zeichen war. Und ich war sehr dankbar, dass er mein Ego nicht derart aufpäppelte.

Ich bin heute noch froh, bedeutungslos vor meinem Guru zu sein.

Zu seinem Geburtstag, den zweiten, den ich erlebte, kamen Gurus und Swamis aus allen Teilen Indiens. Damals fand ich heraus, dass er damals schon Schüler hatte, die ihrerseits Gurus waren, denen er den Auftrag erteilt hatte, Gurus zu sein. Einer, der mich am meisten beeindruckte, war in seiner Gegenwart wie unsichtbar. Er saß immer hinter einem Baum, angelehnt an die kleine Mauer um diesen Baum, und hatte seinen Schal über den Kopf gezogen. Ich war erstaunt darüber, ich habe auch nie einen Austausch zwischen den beiden gesehen. Er hatte zur Zeit seines Geburtstags und auch später immer wieder einen eigenen Bereich im Ashram, in dem er auch seine Schüler empfing. Aber vor meinem und seinem Guru war er niemand, völlig unauffällig.

Vielleicht doch noch zur Klärung: ich meine nicht, dass man bei seinem Guru LEBEN muss, um auf dem Yogaweg zu sein. Das Wegbleiben dieses Managers an sich hätte für mich nicht bedeutet, dass er den Weg verlassen hat (geht das überhaupt auf Dauer?). Aber wie ich später von vielen Leute hörte, war dieser Morgen für ihn tatsächlich der letzte Kontakt zur Tradition meines Meisters.

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Zur rechten Zeit

Gerade denke ich an die Worte meines Meisters, der oft zu uns sagte, wir sollten lernen, auf die „Shakti zu hören“. So viel habe ich schon darüber nachgedacht, denn gleichzeitig warnte er uns auch vor der sogenannten „inneren Stimme“, die sich manchmal auch ganz schnell mit allen möglichen alten Prägungen vermischen kann. Wie kann man also auf diese innere Kraft „hören“, ihr gehorchen?

Fast müsste man bei Adam und Eva anfangen, aber keine Angst, tu ich nicht :). Es ist wie ein Zusammenleben von Mantra, Meditation und den Lehren des Meisters. Für mich hat diese Triade etwas nicht Fassbares.

Am ehesten ist der Prozess noch in der Natur zu beobachten. Man bereitet den Boden, damit er fruchtbar ist, locker, reichhaltig. Dann besorgt man sich qualitativ hochwertiges Saatgut. Man lernt etwas über die Bedürfnisse der Pflanze, die aus dem Saatgut entstehen sollte. Man lernt über eine gute Aussaatzeit etwas. Wenn man alles fertig hat, dann sät man. Aber, das Wunder des Keimens, des Wachsens, des Reifens, das kann man unterstützen (mit Düngen, Unkraut jäten, damit die Nährstoffe nicht auf viele andere Pflanzen, die man nicht unbedingt möchte, verteilt werden, Gießen, aber nicht zu viel, sonst vermodern die Samen), aber niemand BEWIRKT das. Das ist das Wunder der Natur. Aber es ist kein Wunder, das ohne unser Zutun so geschieht, wie wir das brauchen.

Letztens haben ich einen Psychologen gehört, der über das Unvorhersehbare im Menschenleben gesprochen hat. Und, so meinte er, obwohl alle wesentlichen Dinge von uns nicht beeinflussbar oder vorhersehbar sind, gibt es doch auch den Bereich, in dem wir zu wirken haben, in dem wir uns vorbereiten, in dem wir lernen, in dem wir uns trainieren für den Ernstfall. Er nannte das das menschliche Paradox.

So ist es für auch auf dem Yogaweg mit dem „Hören auf die Shakti“. Das entfaltet sich, mit der Zeit der Praxis, aber ohne Praxis ist das wie mit dem Schrotgewehr in den Nachthimmel schießen und hoffen, dass man etwas trifft, was man dann essen kann.

Meine Erfahrung ist es, dass sich „die Shakti“, wie mein Guru das nannte, hörbar macht, je mehr das Gehör geschult ist.

So kann man darauf vertrauen (lernen), dass alles zur rechten Zeit geschieht, nicht nur „draußen“, auch in uns, dass der Handlungsimpuls samt für die Handlung nötiger Info zur rechten Zeit auftaucht.

In diesem Sinne wünsch ich alles Liebe und Gute!

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Ich und ICH und „ich“ – berechtigte Sprachprobleme 2

Sanskrit ist wirklich eine philosophische Sprache, bestens geeignet für das Erklärung feiner Zusammenhänge.

Als Vorbereitung auf die Woche im August lese ich gerade Abhinavaguptas Paramarthasara (was der Übersetzer des Textes mit „Die Essenz der höchsten Wahrheit“ wiedergibt).

Wer sich mit der Schaiva-Tradition aus Kaschmir schon ein wenig auseinandergesetzt hat, dem ist die Sprache, dem sind die Worte schon einigermaßen vertraut. Immer wieder geht es darum, wie Shiva (bitte verzeiht mir die etwas schlampige Schreibweise mit sh, die es ja im Deutschen nicht gibt. Aber den „sch“-Laut in „Shiva“ gibt es eben im Deutschen nicht, denn das wird ganz vorne gesprochen, ist ein Zwischenlaut zwischen unserem „s“ und „sch“) sich ausweitet als Schöpfung, gleichzeitig aber immer Shiva bleibt.

An einer Stelle in diesem Werk beschreibt Abhinavagupta (der im 11. Jh. lebte) seiner innere Erfahrung. Diese Beschreibung finde ich wunderbar, ihre Übersetzung gab Anlass zu diesem Artikel.

[Für alle, die dieses nicht Werk besitzen – gibt es in dieser Übersetzung, die sicher ihres Gleichen weltweit sucht, weil der Übersetzer auch ein Yogi ist, und nicht nur, wie in Indien üblich, Schriftgelehrter – handelt es sich um die Verse 48 – 50; Paramarthasara of Abhinavagupta,ISBN 978-81-904489-0-1; das Muktabodha Indological Research Institute hat die großartige Aufgabe unternommen, möglichst viele Originalsanskrittexte zu digitalisieren, um sie für uns und unsere Nachwelt verfügbar zu machen. Die Ergebnisse dieser schwierigen Aufgabe kann man ohne weiteres auf www.muktabodha.org  kostenlos einsehen UND runterladen. Was für ein Service!]

In „mir“ allein offenbart sich das Weltall als (leblose Gegenstände wie ein) Krug oder Spiegel. Vor „mir“ geht dieses Weltall aus, wie die unterschiedlichen Traumformen, die im Schlaf entstehen.

Das höchste „Ich“ allein nimmt die Form des Weltalls an, wie ein Körper, der aus Händen, Füßen, etc. besteht. In allem manifestiert sich nur das „Ich“ allein, das als Licht, das alles ausleuchtet (und damit alles sichtbar, erkennbar, macht).

Was für wundervolle Verse, die, das ist so gedacht, der Erklärung bedürfen. Aber was ich dabei so auffällig finde, ist, dass im Sanskrit (so viel verstehe ich auch noch davon) von „aham“ die rede ist und das heißt „ich“, wobei dabei immer auch „bin“ mit eingeschlossen ist (aham – „ich bin“). Ich bin aber sicherlich nicht nur in Gänsefüßchen („“ – gibt es diesen Begriff überhaupt noch?) der, auf dem Abhinavas Beschreibung zu trifft, oder? Ich, normal, und „ich“ Shiva?

Es fällt auf, dass der Übersetzer sich sehr windet, wenn es darum geht, dazu zu stehen, dass ich Shiva bin.

Das liebe, gute, wie meine Meisterin es einmal mir gegenüber nannte, alte Ego kann von seinem Alleinstellungsbedürfnis nicht ablassen. Ich bin also Ego, aber „ich“ bin Shiva, der ein „Er“ ist, DAS „Ich“ (müsst ihr da nicht lachen? DAS Ich?). Wieso nur hält unsere Ego so sehr daran fest, NICHT Shiva zu sein?

Na ja, lieber vamdev, könntest du sagen, irgenwie müssen wir das doch unterscheiden Ego-ich und Shiva-ich. Na ja, würde ich darauf sagen, im Sanskrit gibt es weder ein großgeschriebenes noch ein Gänsefüßchen „ich“. Sondern nur „aham“.

Ich bin Shiva, das ist das Entscheidende. Hier also nochmal der Versuch einer Übersetzung der Übersetzung.

In mir allein offenbart sich das Weltall als (leblose Gegenstände wie ein) Krug oder Spiegel. Vor mir geht dieses Weltall aus, wie die unterschiedlichen Traumformen, die im Schlaf entstehen. (nur die Gänsefüßchen weggelassen)

Ich allein nehme die Form des Weltalls an, wie ein Körper, der aus Händen, Füßen, etc. besteht. In allem offenbare ich mich allein als das Licht, das alles ausleuchtet (und damit alles sichtbar, erkennbar, macht).

Liest sich auch besser, finde ich :). Ich möchte euch dazu einmal eine Geschichte erzählen, die vielleicht meine letzten Artikel wie einen bunten Blumenstrauß zusammenhält.

Ende der Neunziger, Anfang dieses Jahrtausends lebt ich mit meiner Familie in Atlanta. Dort gab es ein wunderbares, energiegeladenes Meditationszentrum für meine Meisterin. Und es gab viele Familien, die schon Anfang der Siebziger Jahre meinem Meister begegnet sind, und seit dieser Zeit ihr Leben auf dem Weg gelebt haben. Besonders eine Familie, schon Yogis in der 3. Generation, entwickelte ein hervorragendes Kinderprogramm, das sehr populär war. Es kamen immer ca. 50-100 (!) Kinder samt Eltern zu diesen Veranstaltungen, die meist Theaterstücke mit Publikumsbeteiligung über das Leben von MeisterInnen waren, oder berühmten indischen Ikonen wie Rama oder Krishna. Die Kinder hatten dabei einen Heidenspaß, sangen das Mantra, wir tanzten immer zum rhythmisch gesungenen Mantra und sie lernten auch das Meditieren.

Der Moderator einer Veranstaltung, der auch der Initiator dieses Programms war, sagte damals in der Meditationsanleitung: „Wir richten unsere Augen, Ohren, unser Fühlen – einfach alles – nach innen, um Gott in unserem Herzen zu erleben.“

Der Mann und ich kannten uns schon lange, aus gemeinsamen Zeiten mit unserem Guru. Ich sprach mit ihm über dieses Satz, und es war mir wichtig, dass er sich anhörte, wie das für mich war. Und wir sprachen als Schüler unserer Meisterin miteinander, nicht als Veranstalter und Besucher. Denn für mich sind wir alle im gleichen Boot, wir sind wie ein Aristokratenklub, in dem alle den gleichen Stand, aber unterschiedliche Funktionen haben. Auf dem Yogaweg gibt es keine hohen und niedrigen Schüler, wer Toiletten putzt ist nicht niedriger als ein Ashram-Manager oder der persönliche Sekretär des Meisters.

Ich sagte ihm, dass mich das schon betroffen gemacht hat, was er da (und das war ja nicht das erste und einzige Mal) am Anfang der Meditation gesagt hatte. „Warum“, fragte ich, „kannst du nicht sagen, dass wir uns nach innen wenden (wenn man das schon so sagen will), um UNS ALS Gott zu erleben.“

Ich bemerkte, dass er etwas ratlos und ziemlich überrascht von meiner Frage war. Die hatte offenbar noch niemand gestellt. Ich sagte zu ihm des weiteren, dass ich ja meine Tochter zu so einem Programm bringe, damit sie eindrücklich hört, „ich bin vollkommen“, „ich bin Shiva“, „ich bin Gott“. Sehr nachdenklich und liebevoll sagte er: „Ja, das werde ich wohl in Zukunft anders ausdrücken.“

Ich kenne so viele SchülerInnen meiner Meister, die NIE auf die Idee kämen, WIRKLICH in sich zu denken, zu sagen, zu rufen: „Ich bin Shiva, von mir allein geht alles aus. Ich bin allumfassend, allgegenwärtig.“

Wenn du diese Zeilen liest, und dich ein leichtes Unbehagen beschleicht, wenn in dir ein Gefühl ist, „also DAS fände ich jetzt schon etwas übertrieben“, etc., dann untersuche einmal in dir, woher dieses Gefühl kommt. Untersuche seine Quelle, ihren Ursprung.

Aber ganz gleich, ob du diese Quelle in dir finden kannst, wiederhole weiter in dir Shivo’ham – ich bin Shiva, purno’ham, ich bin vollkommen.

Ja, könntest du jetzt sagen, das mach ich. Shivo’ham, shivo’ham, purno’ham, purno’ham. Aber ich empfehle dir, auch die deutschen Worte, die diese wundervollen Sanskritmantras bedeuten, zu wiederholen: Ich bin Shiva, ich bin vollkommen. Denn das sich bei diesen Worten so unwohl fühlende Ego sollte sich nicht abkapseln können in seiner Begrenztheit, indem es sich hinter dem für uns relativ gefühlsfreien Sanskrit versteckt.

Alles Liebe!

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Unterhaltungsprogramm – Teil 3: die Bedeutung ungewöhnlicher Vorkommnisse

Also, wenn jemand diesen Blick hat, um den Körper anderer zu erbeben zu lassen, wenn jemand anderen durchs Telefon über Tausende von Kilometer fühlbar die Hand geben kann, wenn jemand eine Stunde die Luft anhalten kann oder Gefühle und Gedanke aufspüren kann, dann macht sich bei den meisten ungläubiges Staunen breit, Ehrfurcht. Jemand zaubert das Eine oder Andere, schaut dabei vielleicht noch bedeutungsschwanger, und Menschen sind zu tiefst erschüttert, sie blicken auf zu solch erstaunlicher Meisterschaft und gehen bereitwillig irgendwelche Wege, die ihnen Menschen, die solche Fähigkeiten zur Schau stellen, aufzeigen.

Mir fällt da die Geschichte des Zen-Meisters Bankei ein, der im 19. Jh. einer der großen Roshis Japans war. Während eines Vortrags soll ein Zuhörer aufgestanden sein und dazwischen geredet haben. Bankei unterbrach und forderte Mann auf, zu erzählen, was er erzählen wollte. „Mein Roshi, mein Meister,“ sagte der Mann, „ist so machtvoll, dass er den Namen Buddhas, des Barmherzigen, Amida genannt, über einen breiten Fluss auf ein Blatt schreiben kann, das jemand auf dem ihm gegenüber liegenden Ufer hochhält, ganz ohne Tusche, nur mit seinen Gedanken!“ Daraufhin soll Bankei herzlich gelacht haben, bis ihm die Tränen kamen. Dann sagte er prustend: „Was für einem Dummkopf bist du denn da aufgesessen? Mein Zustand geht so weit über das hinaus, was du mir geschildert hast. Denn: wenn ich müde bin, dann geh ich schlafen. Wenn ich hungrig bin, dann esse ich.“

Ich kenne diese Geschichte schon sehr lange, und dachte mir früher, dass sie kess und lustig ist. Aber seit einiger Zeit sehe ich das anders. Das ganze „Wunderzeug“ ist für den geistigen Weg maximal ein Einstiegsszenario, wie die Schaubühne vor einem Zelt auf dem Oktoberfest, damit die Leute zur Veranstaltung rein kommen. Diese Fähigkeiten können einen Yogi, eine Yogini wirklich nur zum Lachen bringen.

Mein Meister sagte oft: „Das Wunder ist das, was ist. Mehr Wunder braucht es nicht.“

Menschen können vieles lernen. Wenn du mal versucht hast, 100 Meter unter 10,0 zu laufen, dann wirst du merken, dass das, ohne Üben, genauso unmöglich ist, wie über Wasser zu gehen. Schaut euch mal die Körper dieser Menschen an, die das können. Mit einem normalen Körper haben die genauso wenig gemeinsam, wie mein Opel Astra und ein Formel 1 Auto. Unsere Kultur stuft halt das eine als „Wunderkraft“, das andere als erlernbar und trainierbar ein. In anderen Kulturen werden andere Dinge als Wunder (Flugzeuge!) oder antrainierbar  (Verjüngung und zum Beispiel Schweben, was in Indien schon lange als trainierbar galt) angesehen als bei uns.

Wenn man also diesen Dingen auf dem Leim geht, dann bleibt ICH wirklich verborgen. Auch mit noch so intensiver Hingabe an diese Dinge wird man nur die Verstrickung in dem Pseudo-Ich, wie das die Schivayogis nannten, verstärken.

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Unterhaltungsprogramm – die Zweite

Ich kann gut verstehen, warum Blütenzweig geschrieben hat, was er geschrieben hat.

Und ich möchte nicht nur noch mehr Worte über Worte über Worte nachschieben. Aber vielleicht doch mehr und mehr zur Klärung beitragen.

Wie schon so oft in meinen Kursen erläutert, kann man, der Besprechbarkeit halber, ICH, Bewusstsein, Gott (hoffe zumindest, dass von westlichen Yogis das Wort in diesem Sinne gebraucht wird, denn nur dann ist es verwendbar) in zwei Bewegungsrichtungen verstehen:

Die eine, die uns nur allzu sehr bekannt ist, die wir als „das Leben“ bezeichnen, als das Auf und Ab, als Schicksal, als „Welt“, als Persönlichkeit, etc. etc. erleben, geht nach außen, weg von ICH. Das geschieht mit sehr, sehr viel Kraft, mitreißend, unwiderstehlich stark. Da gehört das Wünschen dazu, endlich sein Glück zu finden, da gehört dazu, dass man sich mit Gedanken und Gefühlen identifiziert, dass man ihnen Wahrheit andichtet und mehr noch, dann nach dieser Pseudo-Wahrheit handelt.

Wenn du diesen nach außen gerichteten Strom als dich, als dein Leben, erfährst, wird durch alles, auch durch diese „Hinweise aus der äußeren Welt“, etc. diese Strömungsrichtung verstärkt. Yogis nennen das die gewollte Schrumpfung, Verfestigung, Verdichtung von Bewusstsein. Nach außen gerichtetes Bewusstsein vergisst sich – ein erstaunlicher Vorgang! So erstaunlich für die MeisterInnen der Yogatradition, dass sie diese Fähigkeit der Selbst-Vergessenheit als die deutlichste Zurschaustellung der Macht und Vollkommenheit von ICH bezeichnet haben.

Der nach außen gerichtete Strom, der, je vehementer er nach außen strömt, desto mehr an Macht verliert, spiegelt quasi die Möglichkeiten der anderen Strömungsrichtung von Bewusstsein: Glücklichsein, Einssein (zum Beispiel im Sex, in Beziehungen, im Beruf, in der Natur, usw.), Vollkommenheit, Einmaligkeit, Liebe, Heimat. Man könnte die Liste noch lange fortführen als die Liste aller Motivationen, aller Wünsche, allem innigsten Verlangens. Aber so, wie ein Spiegel, in dem man eine Pizza sieht, nie wirklich satt macht, so sind diese Spiegelungen von ICH nur dazu da, den inneren Hunger zu verstärken. Es entsteht die irrwitzige Hoffnung, dass mehr Spiegel, mehr Illusionen, mehr Nullen, endlich dazu führen, dass der Hunger gestillt wird. Aber so, wie sich in mehr Spiegeln nur immer mehr Pizzas spiegeln lassen, die aber genauso wenig den Hunger stillen, wie das eine Spiegelbild, so kann mit einem „Mehr“ an nach außen gerichtetem Leben nie Glück gefunden werden, nie Zufriedenheit, nie Friede und Liebe. Denkt einmal darüber nach. Wie sollte das denn gehen?

Jetzt gibt es ja, wie oben erwähnt, ZWEI Strömungsrichtungen. Ich bitte mir diese Sprachregelung in ihrer fehlenden Präzision zu verzeihen. Das stellt einfach meine eigene Grenze dar, darüber zu sprechen. Wenn sich also mein Bewusstsein endlich, ermüdet und zu tiefst enttäuscht, verzweifelt (was für ein Witz!!!) nach anderen Bewegungsrichtungen umsieht, dann KANN das Wunder geschehen: Schon nur durch die Umwendung des Bewusstseinsstroms in die andere Richtung („auf mich“ zu sagen, wäre für ego-identifizierte Menschen eine große Falle), öffnet sich, was kaum und letztendlich gar nicht in Worte zu fassen ist: ungeahnt, wie vollkommen neu und doch gleichzeitig vollkommen vertraut,  kommst du nach Hause. Und du merkst, dass du nie weg warst, dass du nur einen aufregenden, fesselnden Film gesehen hast, der dir das GEFÜHL gab, gereist zu sein.

ICH bin immer die Quelle und der Ausdruck von allem. Diese Erkenntnis (so man das überhaupt so nennen kann) taucht auf. Es ist meine feste, durch all meine Studien belegtes Erkenntnis, dass das NUR mit Hilfestellung eines Menschen zu bewerkstelligen ist, der dieses Prozess bereits ganz durchlebt hat. Ein Guru, so nennt man sie im Sanskrit, ist so ein Mensch. Er kennt den Weg, er zeigt den Weg, er ist die Verkörperung von ICH. Genauso, wie wir das auch sind, nicht aufhören können, zu sein.

ABER ohne seine Hilfe hört der Film nicht auf, ist auf Dauer-Repeat…. und täglich grüßt das Murmeltier :).

Natürlich könnte man sagen: „Aber mir gefällt der Film“. Darauf kann ich sagen: Dann warte mal. Im Außen folgt auf jeden Tag die Nacht, auf jede Freude ihr Gegenteil auf jedes „falling in love“ ein „falling out of love“, wie das die Amerikaner nennen: Verliebtsein und Enttäuschtsein. Es sei denn, ICH, die Quelle der Freude, die Quelle der Liebe rücke langsam in den Vordergrund.

Genau diesen Prozess wollte ich darstellen, als ich vom „Unterhaltungsprogramm“ schrieb.

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Auf dem Weg bleiben

Früher dachte ich, auf dem Weg bleiben, „für immer“, das so doch nur selbstverständlich, wenn man all die Erfahrungen gemacht hat, die Menschen, der innere Kraft aktiviert ist.

Doch die Zeit hat mir gezeigt, dass das für die meisten nicht so ist. Wie viele Menschen werden reichlich beschenkt mit Erlebnissen und Einsichten, können aber nicht auf Dauer „dran“ bleiben, an ihrem Prozess der inneren Verwandlung, der aus einem sehr begrenzt erfahrenden Individuum einen Menschen macht, die frei und eins und allumfassend ist.

Viele, denen ich begegnet bin, driften ab, verhaken sich in Zweifel, in unnützen Informationen, in Missverständnissen, die sich unbemerkt eingeschlichen haben.

Alas! Würde mein Meister da wohl sagen. Natürlich kann man sagen, naja, das war halt nicht ihr Schicksal, so am Ball zu bleiben, dass in grundlegender Wandel geschehen kann. Aber immer wieder berührt es mich, und ist mir ein Fingerzeig für meinen eigenen Weg.

Dieses lange-den-Weg-gehen-können, das in allen großen Yoga-Texten betont wird (z.B. in den Yogasutras) scheint doch eine seltene Kunst zu sein. Wie oft habe ich gehört: „Ich habe endlich gefunden, was ich so lange gesucht habe. Ich bin zuhause angekommen. Es gibt keinen Grund, weiter zu suchen. Ich werde diesen Weg zu Ende gehen.“ Aber dann, dann kommt etwas dazwischen, geschieht etwas im Leben, um man wendet sich anderen Dingen zu, versinkt in der alten Leier.

Der Geist baut dann sofort wieder seine Berechtigungen für die Abwendung vom Weg und schickt dich zurück in alte Vorstellungen und Prägungen. Der Weg verschließt sich.

Jetzt erst kann ich so richtig verstehen, warum mein Meister so sehr die Kunst des Unterscheidungsvermögen betont hat, gepriesen hat. Oft höre ich „ich bin jetzt so weit, dass ich keine Führung mehr brauche“, „es geht ja auch darum, selbst zu Meister zu werden, oder?“, „Steh doch dazu, dass du auch wer bist“, etc. etc.

Nur der Einfluss des Ego, an dem sich so jemand festklammert, kann dich dazu verführen, derartiges zu sagen. Sein Einfluss wird subtiler auf dem Weg, verfeinert sich auch mit unserer Verfeinerung. Ein Schüler hat doch keinen Grund, sich zum Meister aufzuschwingen. Ein Schüler strebt Schülerschaft an, vollkommene Schülerschaft. Wie kann es von Bedeutung sein, „etwas zu werden“? Wie kann so etwas je zum Ziel des Heilyogas, „ich bin Shiva, ich bin vollkommen“ führen?

Wenn man mit stets wachem Geist den Yogaweg geht, sich seiner eigenen Herrlichkeit in wachsendem Maße bewusst werdend, dann kann man vielleicht dieses Fallen entgehen. Es braucht diese Wachsamkeit, ohne dass man sich klein macht, und ständig auf der Suche nach dem eigenen Ego und den Fehlern auf dem Weg ist. Denn da wäre das Ego gleich wieder am Lenkrad des Weges, der ja seine Lenkerschaft beenden will.

Daher sagte mein Meister 1980 in einem Vortrag: sangham sharanam gacchami – ich nehme Zuflucht zur Gemeinschaft. Vielleicht ist es im Austausch möglich, sich gegenseitig zu ermutigen, an das Wesentliche zu erinnern, die Verbindung zum Guru nicht abreißen zu lassen.

Vielleicht aber ist es auch notwendig, die Aufplusterungsversuche des Ego immer wieder und vor allem immer schneller zu entlarven. Denn das, davon bin ich überzeugt, braucht ein Yoga nicht auf dem Weg.

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Heute morgen…

Heute morgen bin ich früh aufgewacht, habe meinen Chai gemacht, ein Stückchen Wand in meinem Wohnzimmer/Kursraum gestrichen, und meinen Gedanken und Gefühle schwankten zwischen Mantra und meinem Leben. Ich dachte an meine Tochter, und wie sie mir vor kurzen erzählt hat, wie sehr sie das Mantra Rama Krishna Hare, Mukunda Murare liebt, wie sie an unsere Meisterin dabei denkt, wie es voller Gefühle für sie ist.

Als mein Meister noch in seinem Körper war, habe ich oft gesehen, wie Kinder um ihn herum aufwuchsen und ich hatte diese Sehnsucht, auch einmal so etwas erleben zu dürfen, mein Kind mit ihm interagieren zu sehen. Ich weiß nicht, warum ich das als so etwas Erstrebenswertes empfand.

Mein Schicksal hat mir das ermöglicht. Meine Kleine zu sehen, an der Hand meiner Meisterin, wie sie mit großer Stilsicherheit mit ihr zusammen war, hat mich damals schon erstaunt und zu tiefst berührt. Wir Eltern mussten ihr das nie beibringen, sie wusste es von Anfang an. Solch wundervolle Nähe, wie die beiden zusammen waren, meine Tochter und meine Meisterin. Und ich war alt genug auf dem Weg, um klar zu erkennen, dass  diese vielen Momente Geschenke  meines Schicksals waren.

Bei all den Serpentinen meines Lebens ist dieser geschenkte Weg wie der immer sichtbare Gipfel, ist meine Verbindung mit meiner Meisterin das Band, das alles zusammenwebt und zusammenhält. Dieses unfassbare Geschenk schenkt sich immer noch, immer weiter, es hat nichts von seiner Frische verloren. Es berührt jede Zelle immer noch und immer wieder aufs Neue. Damals, als alles anfing, ich war 20, doch schon da ahnte ich das Wunder dieses Geschenks, der Schüler eines wirklichen Meisters sein zu können. Ich ahnte, dass das auch ein Geschenk meiner eigenen Psyche war, die mir erlaubte, voller Ernsthaftigkeit und Begeisterung meinen Weg zu gehen.

Heute, nach vielen Jahren voller Erlebnissen, Einsichten, voller Studium weiß ich, dass jeder Mensch dieses Weg gehen kann, dass er sich wie ein wärmender Mantel um das Leben, wie auch immer es sei, hüllen kann, wenn man nur dazu in der Lage ist, das zu wollen.

Möge dieser Weg auch weiterhin deinen Geist und dein Leben in ein Licht tauchen, wie ich es gerade vor meinem Fenster habe, in ein Licht, das die Blume der Dankbarkeit auf Dauer erblühen lässt in deinem Herzen.

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