Auf dem Weg bleiben

Früher dachte ich, auf dem Weg bleiben, „für immer“, das so doch nur selbstverständlich, wenn man all die Erfahrungen gemacht hat, die Menschen, der innere Kraft aktiviert ist.

Doch die Zeit hat mir gezeigt, dass das für die meisten nicht so ist. Wie viele Menschen werden reichlich beschenkt mit Erlebnissen und Einsichten, können aber nicht auf Dauer „dran“ bleiben, an ihrem Prozess der inneren Verwandlung, der aus einem sehr begrenzt erfahrenden Individuum einen Menschen macht, die frei und eins und allumfassend ist.

Viele, denen ich begegnet bin, driften ab, verhaken sich in Zweifel, in unnützen Informationen, in Missverständnissen, die sich unbemerkt eingeschlichen haben.

Alas! Würde mein Meister da wohl sagen. Natürlich kann man sagen, naja, das war halt nicht ihr Schicksal, so am Ball zu bleiben, dass in grundlegender Wandel geschehen kann. Aber immer wieder berührt es mich, und ist mir ein Fingerzeig für meinen eigenen Weg.

Dieses lange-den-Weg-gehen-können, das in allen großen Yoga-Texten betont wird (z.B. in den Yogasutras) scheint doch eine seltene Kunst zu sein. Wie oft habe ich gehört: „Ich habe endlich gefunden, was ich so lange gesucht habe. Ich bin zuhause angekommen. Es gibt keinen Grund, weiter zu suchen. Ich werde diesen Weg zu Ende gehen.“ Aber dann, dann kommt etwas dazwischen, geschieht etwas im Leben, um man wendet sich anderen Dingen zu, versinkt in der alten Leier.

Der Geist baut dann sofort wieder seine Berechtigungen für die Abwendung vom Weg und schickt dich zurück in alte Vorstellungen und Prägungen. Der Weg verschließt sich.

Jetzt erst kann ich so richtig verstehen, warum mein Meister so sehr die Kunst des Unterscheidungsvermögen betont hat, gepriesen hat. Oft höre ich „ich bin jetzt so weit, dass ich keine Führung mehr brauche“, „es geht ja auch darum, selbst zu Meister zu werden, oder?“, „Steh doch dazu, dass du auch wer bist“, etc. etc.

Nur der Einfluss des Ego, an dem sich so jemand festklammert, kann dich dazu verführen, derartiges zu sagen. Sein Einfluss wird subtiler auf dem Weg, verfeinert sich auch mit unserer Verfeinerung. Ein Schüler hat doch keinen Grund, sich zum Meister aufzuschwingen. Ein Schüler strebt Schülerschaft an, vollkommene Schülerschaft. Wie kann es von Bedeutung sein, „etwas zu werden“? Wie kann so etwas je zum Ziel des Heilyogas, „ich bin Shiva, ich bin vollkommen“ führen?

Wenn man mit stets wachem Geist den Yogaweg geht, sich seiner eigenen Herrlichkeit in wachsendem Maße bewusst werdend, dann kann man vielleicht dieses Fallen entgehen. Es braucht diese Wachsamkeit, ohne dass man sich klein macht, und ständig auf der Suche nach dem eigenen Ego und den Fehlern auf dem Weg ist. Denn da wäre das Ego gleich wieder am Lenkrad des Weges, der ja seine Lenkerschaft beenden will.

Daher sagte mein Meister 1980 in einem Vortrag: sangham sharanam gacchami – ich nehme Zuflucht zur Gemeinschaft. Vielleicht ist es im Austausch möglich, sich gegenseitig zu ermutigen, an das Wesentliche zu erinnern, die Verbindung zum Guru nicht abreißen zu lassen.

Vielleicht aber ist es auch notwendig, die Aufplusterungsversuche des Ego immer wieder und vor allem immer schneller zu entlarven. Denn das, davon bin ich überzeugt, braucht ein Yoga nicht auf dem Weg.

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