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„Warum sich von dieser Welt fernhalten?“ – Kabir

Nicht, dass wir uns da missverstehen, betreffend meines letzten Artikels. Wie eben Kabir, der große Dichter und Meister aus dem 15. Jh., sagte, warum sich von der Welt fernhalten? Wenn der Geist endlich begreift, dass die innere Unruhe vom nach außen Strömen des Geistes kommt, und wenn er gleichzeitig das große Glück hat, sich der Möglichkeit zu öffnen, dass es auch die andere Richtung gibt, nach innen, dann kann man wirklich Sinnesvergnügungen erfahren. Dann braucht es nicht mehr die Überlastung der Sinne, der inneren UND äußeren, um tiefes Vergnügen zu erleben.

Mein Meister hat das in seinem Buch „Spiel des Bewusstseins“ beschrieben. Einfache Klänge werden dann voller Anmut erfahren, einfaches Essen wird köstlich, die Überlastung der Sinne hat ein Ende. Das führt dann auch dazu, dass die Sinne eine vorher nicht gekannte Schärfe erlangen, und trotzdem nicht überempfindlich werden.

Natürlich haben wir unsere Prägungen, in deren Bahnen wir unser Leben erfahren. Sie sind wie unser Straßensystem, durch das sich Bewusstsein zum Beispiel als „ich bin vamdev“ ausdrückt. Diese Prägungen verschwinden, wenn alle Erfahrungen gemacht sind. Sie begrenzen die unendlichen Möglichkeiten auf ein paar wenige. Erleben wirst du das als „Interessen“. Das Meiste an Lebenserfahrungen, die man machen kann, taucht ja gar nicht auf deinem Bildschirm auf, gibt es einfach nicht. Diese Prägungen sind weder gut noch schlecht, sie sind für ein Leben im Körper notwendig. Yogis zerstören sie nicht, tun auch wenig mit ihnen, manipulieren sie nicht, sondern VERSTEHEN, dass sie eine notwendige Nebenwirkung sind.

Ich bin mir vollkommen sicher, dass man die Welt (oder was man als solche erlebt), nur dann genießen kann, in Liebe, die jenseits aller Beschreibung ist, wenn man seinen herrlichen Geist angefreundet hat mit der Idee, dass innen alles Verlangen, alle Hoffnung, alle Wünsche Erfüllung finden können. Wer das versucht, wird erleben, dass das so schwierig ist, wie jemanden, der Jahre im Rollstuhl war, aus psychischen Gründen, zu überzeugen, dass er auch ohne Hilfe gehen kann.

Aber, was für eine Liebe verpasst man, was für Erfüllung, ohne es zu versuchen! Selbstverständlich ist mir klar, dass jeder aus gutem Grund sich Prägungen für dieses Leben zurechtgelegt hat, die ihn oder sie vielleicht auch ganz und gar daran hindern, von dieser anderen Richtung ihres eigenen Geistes zu HÖREN, geschweige denn, diesen Richtungswechsel einzuleiten. Aber trotz alle dem stimmt es mich traurig, dass so viele das nicht erleben können. So wenig ist ihr Lohn für ihr Mühen! Nur Müdigkeit bleibt, Enttäuschung, leider meistens nur noch überdeckt von der Hoffnung, dass mit mehr Mühe doch noch Erfüllung zu erlangen ist.

Aber wenn du das dann begriffen hast, wenn du akzeptieren kannst, dass der Geist, vielleicht auch nach Jahren der Praxis, auch wenn deine innere glorreiche Kraft in dir wirkt, seine Hoffnungen einfach nicht so ganz lassen kann, wie herrlich wird dein Leben, welche Freiheit umweht dein Herz, welche Liebe ergreift jede Zelle deines Herzens! Jeder Sonnenstrahl wird ein neuerlicher Anstoß für deine Freude und der regenverhangene Himmel steckt deine Gedanken nicht mit seine Gräue an.

Wenn du so auf dem Weg bist, vergisst du das einfach manchmal, dein Geist versucht sich das alte Gewand des Hoffens und der Enttäuschung wieder anzuziehen, aber es ist doch viel zu eng geworden. Wie soll er da noch reinpassen :-)?

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Das Unterhaltungsprogramm

ja, das ist das Leben: für uns Yogis ist es das Unterhaltungsprogramm, die Rahmenveranstaltung. Nicht, dass dieses Programm nicht von großer Spannung, Dramatik und Aufregung wäre. Es scheint so, als wäre dieses Rahmenprogramm allein schon Erfüllung.

Für Nicht-Yogis ist es alles, was es gibt, und mit zunehmendem Alter, alles, was man halt erwarten kann. Mehr ist nicht, erahnt man mit der Zeit.

Aber für uns, für uns ist es Unterhaltung pur. So, wie du ja auch nicht im Kino bleibst, nur weil dir das Hotelzimmer im Film so gut gefallen hat, so vergisst du nicht mehr, dass das Rahmenprogramm eben nur den Rahmen, den Hintergrund für deinen Weg abgibt.

Unsere Meditation, unser Mantra, unsere Kontemplation – das ist für uns die Hauptveranstaltung. Wir nutzen das Rahmenprogramm als Inspiration für den Einsatz unserer Erkenntnis, unserer Übung! Was für ein Segen!

Ein Picasso-Bild ist auch ohne Rahmen ein Picasso-Bild. Aber ein Rahmen ist schon wichtig, damit man es aufhängen kann und sich von ihm ergreifen lassen kann. Aber, normalerweise gehst du nicht in eine Ausstellung seiner Arbeiten, um nur die Rahmen seiner Bilder anzusehen.

Das zu vergessen, diese Aufgabenverteilung zwischen Leben und Yogaweg, führt auf lange Sicht immer zu innerer Leere und Unerfülltheit. Wenn ich „auf lange Sicht“ schreibe, dann meine ich damit, dass es immer wieder diese Ahnung gibt, wie erfüllt das Leben sein könnte, wenn es den Weg einrahmt, wie eine Flasche, die ein köstliches Getränk beinhaltet.

Unser Leben nicht voll zu leben, würde nur wieder der Hoffnung auf den Leim zu gehen, dass der Rahmen, wenn nur genug verbessert, bearbeitet und aufgeputzt, doch Erfüllung bietet könnte. Manche Menschen meinen, dass es besser wäre, „dem Leben“ zu entsagen, „der Welt“ den Rücken zuzukehren. Was für ein Missverständnis! Wenn du ein köstliches Getränk zu dir nehmen willst, dann brauchst du ein Gefäß dafür. (Aber: das Gefäß trinkst du ja nicht :))

Durch alles Leben hindurch, mit dem Segen der Kundalini, der inneren Kraft, eröffnet sich mit der Zeit zumindest, eine Ahnung für die innere Herrlichkeit. Man kann das Leben einfach laufen lassen, die eigene Persönlichkeit, das eigene Schicksal (oder wie auch immer man das nennen möchte), und gleichzeitig erlernen, dass alles nur ICH bin.

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