Schlagwort-Archive: Geburtstag

„Was soll nur aus mir werden?“ – Teil 2

Am besten nichts, lehren viele Geschichten im Yoga. Das Ego protestiert? Genau deshalb! 🙂

Ich hatte damit ein Problem am Anfang. Wisst ihr, Aufmerksamkeit ist nicht so sehr etwas, was dir gegeben wird, sondern was du empfangen können musst. Ich hatte damals oft das Gefühl, dass mein Meister mich nicht beachtete. Wie oft war ich gekommen und er hat mich gefragt, wie ich heiße und woher ich komme, wie oft wurde ich ihm vorgestellt, als wäre ich noch nie da gewesen! („Wer ist das?“, so oft hörte ich diese Frage von ihm an seine Übersetzerin).

Dann geschah etwas, was meine Meinung darüber grundsätzlich änderte. Ich hatte Geburtstag, und damals konnte man den mit ihm feiern. Es gab ein paar eigenartige Vorbedingungen – die Geburtstagsfeier fand um 6 Uhr morgens in seinem Schlafzimmer statt, und man hatte 15 oder so Croissants mitzubringen, aus der Bäckerei, die eigens dafür gefertigt wurden. Später fand ich heraus, dass das offensichtlich ein Leckerbissen für seine beiden Rottweiler Hunde war.

Als der Tag dann kam, war ich natürlich ziemlich aufgeregt, denn so nah und so privat traf man ihn normalerweise nicht. Also, gab ich meine Croissants an der Eingangstüre in seine Wohnung ab, dann wurde ich in sein Schlafzimmer geführt, wo auf dem Bett zwei wunderschöne, handgemachte Skimützen lagen, die er des öfteren zu Programmen trug oder wenn er draußen unterwegs war. Zwei deshalb, weil es einen Manager im Ashram gab, der am gleichen Tag Geburtstag hatte wie ich. Mein Guru kam ins Zimmer, setzte sich aufs Bett, seine beiden GROSSEN Hunde mit ihm :).

Dann fing er an, mit seinem Manager zu sprechen. Vielleicht sollte ich noch anmerken, dass das alles nicht privat im bekannten Sinne war. Seine Übersetzerin, die heute meine Meisterin ist, mein Guru, dieser Manager, ich und die Hunde waren gemeinsam im Raum. Aus dem von Seiten meines Gurus mit großer Zuneigung und Intensität geführten Gesprächs konnte ich entnehmen, dass dieser Mann am gleichen Tag noch nach Europa zurückkehrte, um einen Monat lang eine Art Urlaub mit seiner Familie zu machen. Mein Guru bat ihn mehrmals, ja wieder rechtzeitig nach Indien zu kommen, denn man bräuchte ihn schon sehr hier.

Ich war schon überrascht von diesen Worten meines Gurus. Der Manager beruhigte ihn quasi und versprach, rechtzeitig wieder da zu sein. Mein Guru sagte noch einmal: Versprochen? Dann ging der Manager wieder und ich war mit ihm und seiner Übersetzerin plus Hunden alleine. Er fing sofort an, mich über den Einfluss eines gewissen Gurus in Deutschland zu fragen und gab einige Prognosen für die weitere Entwicklung dieser Tradition weltweit ab. Ich fand das schon fast eigenartig, aber es war mein Guru und ich hatte nicht den Anspruch an mich, das alles genau einordnen zu können. Zu mir selbst sagte er wenig. Er gab mir die übrige zweite Mütze, dunkelviolett, viel schlichter als die große, flauschige, die der Manager erhalten hatte.

Dann schickte er mich weg. Ich war voller Freude, die meine leichten Minderwertigkeitsgefühle überstrahlte (ihm war es scheinbar unwichtig, wer ich war, ob ich wieder kommen würde, denn auch ich musste am nächsten Tag wieder nach Deutschland fahren).

Dieser Mann ist nie wieder gekommen. Er war ganz ausgestiegen, hatte alle Verbindung zu dieser meiner Tradition aufgelöst, das war sein letzter Kontakt. Für mich war das damals schockierend. Und ich erkannte für mich, dass diese gesteigerte Aufmerksamkeit des Meisters nicht unbedingt ein gutes Zeichen war. Und ich war sehr dankbar, dass er mein Ego nicht derart aufpäppelte.

Ich bin heute noch froh, bedeutungslos vor meinem Guru zu sein.

Zu seinem Geburtstag, den zweiten, den ich erlebte, kamen Gurus und Swamis aus allen Teilen Indiens. Damals fand ich heraus, dass er damals schon Schüler hatte, die ihrerseits Gurus waren, denen er den Auftrag erteilt hatte, Gurus zu sein. Einer, der mich am meisten beeindruckte, war in seiner Gegenwart wie unsichtbar. Er saß immer hinter einem Baum, angelehnt an die kleine Mauer um diesen Baum, und hatte seinen Schal über den Kopf gezogen. Ich war erstaunt darüber, ich habe auch nie einen Austausch zwischen den beiden gesehen. Er hatte zur Zeit seines Geburtstags und auch später immer wieder einen eigenen Bereich im Ashram, in dem er auch seine Schüler empfing. Aber vor meinem und seinem Guru war er niemand, völlig unauffällig.

Vielleicht doch noch zur Klärung: ich meine nicht, dass man bei seinem Guru LEBEN muss, um auf dem Yogaweg zu sein. Das Wegbleiben dieses Managers an sich hätte für mich nicht bedeutet, dass er den Weg verlassen hat (geht das überhaupt auf Dauer?). Aber wie ich später von vielen Leute hörte, war dieser Morgen für ihn tatsächlich der letzte Kontakt zur Tradition meines Meisters.

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Der Yoga der Stetigkeit auf dem Weg